Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
ihrer Stimme mit, die so fremd für die vertrauten Ohren klang. Erin kniete
neben ihr nieder, sah das entspiegelte, gesplitterte Visier von Nicoles Helm. Nass,
als wäre sie eben aus dem Ozean aufgetaucht, klebte deren pechschwarzes Haar an
ihrem Kopf. Starr und weit waren ihre erschöpften Augen aus den Höhlen
getreten; der entsetzte Blick einer Erstickten.
»Ich wollte meine Sauerstoffversorgung an ihren Anzug
anzuschließen. Doch … doch …«, stammelte Rebecca und versuchte die Tränen aus
ihrer Stimme fernzuhalten. Verzweifelt suchte sie nach einer Rechtfertigung,
warum sie Nicoles Tod nicht verhindern hatte können. Doch es bedurfte keiner Rechtfertigung.
Sie war die Ärztin, sie wusste, warum sie Nicole diesen Außeneinsatz auszureden
versucht hatte.
»Das Leck war zu groß«, sagte Martin ruhig, als er so zärtlich
über Nicoles beschädigten Helm strich, als dürfte er ihre gläserne Haut nicht
verletzen.
Rebecca nickte stumm.
Die Crewmitglieder in der Basis standen beisammen, als sich die
innere Tür der Schleuse aufschob. Kein Laut war zu hören, nur das monotone
Öffnen und Schließen der Ventile und das Surren der Pumpen, die für die
Lebenserhaltung notwendig waren. Es schien, als spielten diese ein Requiem für
ihre Kollegin, als Rebecca, Martin und Erin Nicole in die Basis trugen.
Martins Augen funkelten böse in
Shannons Richtung, doch diese schien in ihrer eigenen Welt versunken zu sein.
»Das sind ja schlechte Neuigkeiten«, sagte Leander, während
hinter ihm gerade die arabische Halbinsel aus dem Bild schwebte. Er zündete
sich eine Zigarre an und blies den Rauch in Richtung der Ventilation, die ihn
sofort aus seinem luftigen Büro beförderte.
Shannons zerknirschtes Gesicht schien kaum mehr ein rotes
Blutkörperchen zu besitzen und ihre Hände zitterten, als sie sie auf den Tisch
legte. »Ja … es ist … schrecklich. Es war meine Schuld, ganz allein …«
»Bitte, Shannon hören Sie auf, sich Vorwürfe zu machen.«
»Doch, es war ganz allein meine Verantwortung. Ich … ich
wusste, dass es ihr nicht gut ging und ich hätte es niemals zulassen dürfen,
dass sie in diesem Zustand hinausgeht.«
Rauschen kam über die Tonfrequenz und Leander machte einen
gleichgültigen Eindruck. Bei einer Videokonferenz mit ihm konnte man nie sagen,
ob er tatsächlich vor der Kamera saß oder sich von einer unbeweglichen holographischen
Projektion vertreten ließ. »Wozu haben Sie denn eine Ärztin auf der Station? In
medizinischen Belangen ist sie die letzte Instanz, nicht die Kommandantin.« Er
paffte ein weiteres Wölkchen in die Luft und kritzelte etwas auf die spiegelnde
Oberfläche seines Organizers.
»Nicole …«, Shannon schniefte, »war so stolz auf ihre Arbeit
und sie wollte nicht, dass es ihretwegen zu einer Verzögerung bei der
Fertigstellung der Station käme. Ich hab mich von ihr breitschlagen lassen und
es ihr trotz …«, sie schluckte als gelte es, einen überdimensionalen Kloß ihre
Kehle hinunterzuwürgen, »ihres Gesundheitszustandes gestattet, diesen
Außeneinsatz heute durchzuführen.«
»Shannon, hören Sie mir überhaupt zu? Ich sagte gerade, Sie
trifft keine Schuld«, insistierte Leander energisch.
»Wen denn sonst? Ich bin die Kommandantin hier, niemand
sonst.«
»Hören Sie, da Sie sich derzeit aufgrund des Todes von
Nicole in einem psychisch labilen Zustand befinden, kann ich gerne die Leitung
der Basis ihrem Stellvertreter anvertrauen – wenn Ihnen damit geholfen ist.«
Shannon sah überrascht in den Bildschirm, ihre Augen hart,
kalt und weit. »Das ist wirklich nicht nötig, Leander. Ich bin sehr wohl noch in
der Lage, diesen Außenposten bis zu meiner Ablöse zu leiten.« Sie nickte wie um
ihre Aussage zu bestätigen, und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
»Wie Sie meinen. Es sind ohnehin nur noch zwei Tage bis der
Shuttle eintreffen wird, um Sie wie geplant abzuholen. – Martin, bleiben Sie
bitte noch, denn ich möchte mit Ihnen noch ein paar Punkte bezüglich der
Ankunft des neuen Kommandanten besprechen.«
Shannon stand auf und verschwand in ihrer Kabine.
Sie schloss die Tür ab,
trocknete ihre Tränen und schnäuzte ihre Nase. Dann ging sie zum Spiegel,
frisierte ihr zerwühltes Haar und ließ das makellose Blond über ihre Schultern
wallen. Wären nicht ihre Augen leicht gerötet gewesen, hätte nichts darauf
hingewiesen, dass sie sich auch nur annähernd unbehaglich oder schlecht fühlte.
Ausgeglichen und selbstsicher wirkte das Gesicht, das aus
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