Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Sie zupfte an der Spitze ihres BHs.
»Geht in Ordnung. Für dich tu ich doch alles.« Er zwinkerte
ihr zu.
Ohne ein Wort zu erwidern schenkte sie ihm ihr Lächeln, das
ebenso verführerisch wie gekünstelt war, und beendete das Gespräch. Das weiß
ich doch, mein Lieber, dachte sie und freute sich, dass nichts auf dem Planeten
so vorhersehbar war wie Männer.
Nachdem sie der dampfenden Dusche entstiegen war, suchte sie
ihre erlesenen schwarzen Spitzendessous aus dem Kasten. Manchmal dachte sie,
diese Art der Unterwäsche hätte etwas Urgroßmütterliches und Konservatives;
andererseits gefiel es ihr, wie die feine Seide ihren Körper umschmiegte und
sie in Männeraugen noch unwiderstehlicher erscheinen ließ; nicht zuletzt war
ihre Urgroßmutter auch kein Kind von Traurigkeit gewesen. Darüber zog sie ein
semitransparentes, anliegendes Kleid aus Microfaser.
Pünktlich auf die Minute wartete das Taxi vor der Tür.
George strahlte über sein schon etwas faltiges Gesicht, als
er sie sah. »Ich hoffe, dich hat niemand gesehen«, sagte er etwas besorgt. »Es
wäre ziemlich ärgerlich, wenn gerade jetzt herauskäme, dass der Vorsitzende des
Auswahlgremiums und die Gewinnerin des Hearings …«
»George, ich bin kein Kind mehr«, sagte Shannon vorwurfsvoll.
»Jetzt treffen wir uns schon seit mehr als drei Jahren und bisher ist noch nie
etwas durchgesickert.«
»Ja, aber der Zeitpunkt ist jetzt wesentlich sensibler,
meine Liebe. Ich stehe im Licht der Öffentlichkeit, ebenso wie du. Wenn jetzt
noch ein etwas gerissener Schmierfink, oder, was noch schlimmer ist, einer mit
Kombinationsgabe und Intelligenz Wind davon bekommt, dann macht der eine zum
Himmel schreiende Geschichte daraus. Dann heißt es für mich, meinen Hut zu
nehmen und für dich goodbye Mars.« Er führte sie zu einem festlich gedeckten
Tisch, auf dem zwei Beleuchtungskörper standen, die entfernte Ähnlichkeit mit
Kerzenleuchtern hatten. (Wegen ihres zu hohen Kohlendioxydausstoßes hatten die
Regierungen der Welt die originalen, romantischen Wachskerzen schon vor mehr
als zwei Jahrzehnten aus den Kaufregalen verbannt. So war man gezwungen, mit
dem neumodischen Ersatz das Auslangen zu finden.)
»Ich möchte heute Abend aber nicht schwarzmalen«, sagte sie
bestimmt. »Du hast mich zum Feiern eingeladen und genau deshalb bin ich hier.
Also vergiss deine düsteren Gedanken, die ohnehin nie Realität werden, und lass
uns den Abend genießen.«
Shannon sollte Recht behalten. Die Sache mit ihr und George
gelangte nicht an die Öffentlichkeit. Hätte sie jedoch gewusst, was sich am
nächsten Tag abspielen würde, hätte sie gerne freiwillig diese Tatsache
preisgegeben, um die Schlagzeile, die um die Welt gehen sollte, zu verhindern.
10
San
Francisco Bay, 2065
Was hatte sie gerade eben gesehen?
War es womöglich doch eine Einbildung, eine Halluzination, die auf das Zeugs
zurückzuführen war, das ihr die Kidnapper verabreicht hatten? Sie zappte durch
die Kanäle. Überall die gleichen Neuigkeiten, überall dieselbe Schlagzeile. War
es wirklich Mord? Sollte es tatsächlich das erste Verbrechen sein, das auf dem
Mond geschehen war? Karen sah sich um. Das Bild, das ihre Augen sahen, passte
mit dem in ihrem Gedächtnis gespeicherten zusammen. Es ruckelte und zuckte
nicht, enthielt keine Blitze und keine Flächen, die sich plötzlich in Gegenstandslosigkeit
auflösten. Sie stand vorsichtig auf. Der Boden unter ihr war hart und
unnachgiebig. Weder schaukelte noch drehte er sich. Sie sah aus ihrem Fenster.
Sah etwas Grün, das Nachbarhaus. Menschen gingen vorbei, unauffällig und
emotionslos. Alles war so wie immer, so wie es sein sollte. Ein Tag wie viele
andere an der San Francisco Bay. Sie wandte sich erneut dem Screen zu, zappte
weiter. Immer das gleiche. Endlich fand sie einen Kanal, in dem eine
Dokumentation über die geplante Marsmission lief. Plötzlich tauchte eine von
diesen extrem hübschen, blonden Sprecherinnen auf; rhetorisch viel zu begabt, viel
zu gut aussehend und viel zu blond, um nicht künstlich zu sein. »Wir
unterbrechen unser Programm aufgrund einer äußerst dringenden Meldung, die wir
eben von World Wide News (WWN) hereinbekommen haben.«
Der Hintergrund wurde schwarz
und ein Bild der Tsiolkovsky-Basis erschien. »Es ist eine sehr unschöne
Geschichte«, begann die Blonde, hinter deren künstlicher Haut sich
ausschließlich Nanochips und Lichtleiter verbargen, »die mit einem Mal an die
Öffentlichkeit kam, und die Frage, die sich nun
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