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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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Lamins Kabine, die zwischen der von Umberto und
Andy lag, und riss ohne anzuklopfen die Tür auf. »Was hast du dir dabei gedacht?«,
fuhr sie den Mediziner an. »Du bist wirklich …« Sie hielt inne, sprach den Satz
nicht zu Ende.
    Lamin saß auf seinem Bett, den linken Oberarm mit einem Stauschlauch
abgebunden, und war gerade dabei, eine Flüssigkeit in seine Vene zu injizieren.
    »Was machst du da?«
    Erst jetzt wandte er langsam den Kopf und sah sie an. »Nach
was sieht es denn aus?« Sein Gesicht war angespannt. Tiefe Falten liefen über
seine Stirn.
    »Das weißt du sehr gut, nach was es aussieht.«
    »Ich kann dich beruhigen, Karen, das ist es aber nicht.«
    Sie stand noch immer in der offenen Tür.
    »Komm endlich rein und mach bitte die Tür zu!«
    Karen, als hätte sie beim Verlassen der Brücke auch ihren
eigenständigen Willen zurückgelassen, gehorchte aufs Wort. Sie drehte den
einsamen Sessel unter dem Tisch hervor und setzte sich demonstrativ energisch verkehrt
auf diesen.
    »Dann sag mir, was es ist!«
    Er öffnete den Stauschlauch, verstaute die Spritze in einem
metallenen Behältnis und ließ das Fläschchen mit der Flüssigkeit in seinem
Arztkoffer verschwinden. Als er diesen mit einem lauten Schnappen verschlossen
hatte, wandte er sich ihr zu. »Ich fürchte, meine Antwort wird dir genauso
wenig gefallen.«
    »Versuch es einfach.«
    Karen sah ihm an, wie die Gedanken in seinem Kopf gerade im
hochtourigen Schleudergang durcheinander gewirbelt wurden.
    »Es ist ein Schmerzmittel«, begann er, als erzählte er eine
Geschichte, die von ihm soweit entfernt war, wie es mittlerweile seine
afrikanische Vergangenheit war, »ein sehr starkes Schmerzmittel.«
    Synthetisches Morphium war das erste, was Karen einfiel.
    »Es ist aber kein synthetisches Morphium«, sagte er, »das
zeigt bei mir keinerlei Wirkung mehr.«
    Die winzige Kammer begann auf einmal um eine instabile,
torkelnde Achse zu rotieren; schlug Saltos, drehte Pirouetten und wurde dabei
immer wilder und ungestümer. Und Karen mitten drinnen. Ihr Doc krank. Konnte
das wirklich sein? Was würde passieren, wenn was passiert? Wie sollte er
jemanden von der Crew in einer ernsten Notsituation helfen, wenn er selbst …
Sie war nicht bereit, diesen Gedanken zu Ende zu denken.
    »Wie lange hast du das schon?«
    »Eine Weile.«
    »Wie bist du mit so einer Diagnose überhaupt durch das
Auswahlverfahren gekommen?«
    Sein Gesicht hatte sich etwas entspannt. Er lächelte nicht,
schmunzelte nicht, blieb objektiv und neutral, als gälte es, einer lieben
Freundin den Tod ihres Mannes mitzuteilen. Ohne einen Anflug von Stolz oder
auch nur einer Spur von Überheblichkeit in der Stimme sagte er dann nur ein
kleines Wort; eigentlich war es schon mehr ein Flüstern: »Freunde.«
    Karen sah ihn lange an. Sie wusste, was er meinte, war
imstande nachvollziehen, was in ihm vorgegangen sein mag, als er seine Diagnose
erfahren hatte, als der die Mars One ohne sich abfliegen sah. Wer verstünde das
wohl besser als sie.
    »Ich werde das natürlich in meinen nächsten Bericht aufnehmen
müssen. Das verstehst du doch?«
    Lamin nickte nur, als sie aufstand, den Sessel wieder unter
den Tisch drehte und seine Kammer verließ.
    Plötzlich fiel ihr wieder ein, warum sie ihn eigentlich
aufgesucht hatte. Sie fühlte wieder diesen unbändigen Zorn in sich, machte
kehrt, ging zurück und trat ebenso unangekündigt wie beim ersten Mal ein.
    »Warum ich überhaupt zu dir wollte …«, begann sie.
    »Ja?«
    »Ich habe soeben, das heißt vorhin, eine Nachricht von
Mission Control erhalten.«
    »Aha! Und was hat das mit mir zu tun?«
    »In der Nachricht geht es um meinen Gesundheitszustand.«
Ihre Stimme klang heiser und unsicher. Sie fing an zu keuchen. »Um meinen
psychischen.«
    Lamin nickte.
    »Du streitest es also nicht einmal ab, dass du die da unten
über meinen labilen Gesundheitszustand informiert hast?«
    »Warum sollte ich es abstreiten?« Sein dunkelbraunes Gesicht
strahlte vor Selbstbewusstsein. »Du hast ja gerade selbst gesagt, dass dein
Zustand labil ist. Es ist mittlerweile schon so offensichtlich, dass du nicht
einmal mehr einen Arzt brauchst, der dir diese Diagnose bestätigt.«
    Geschieht mir recht. Im aufgebrachten Zustand sollte frau
eben nicht diskutieren. Erst recht nicht, wenn man cholerisches Blut in sich
trägt. Das kann nur schief gehen. Sie starrte auf den Boden. »Musstest du es
gleich an die Kollegen auf der Erde weiterleiten?«
    »Du bist zwar die

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