Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
nippte an einer
milchig-weißen Flüssigkeit. »Als Kind hab ich mir das immer ganz anders
vorgestellt.«
»Wie denn anders?«, wollte Jacqueline wissen und strich sich
das Haar aus dem Gesicht.
»Jetzt bin ich aber gespannt, was gleich kommt«, grinste
Umberto.
Andy sah erst Jacqueline an, dann Umberto. »Irgendwie, ich
fürchte mich beinahe es laut zu sagen, ich habe fast ein schlechtes Gewissen
dabei. Ich fühle mich dabei so … undankbar.« Mit seinem Blick schien er ein
Loch in die Kunststoffplatte des Tisches bohren zu wollen. »Irgendwie …«, noch
einmal legte er eine Pause ein, »… finde ich es langweilig, öde und eintönig.
Genau so gut könnten wir irgendwo auf der Erde in einem Container eingesperrt
sein, vor dessen Fenster in einer Endlosschleife immer derselbe
Fünf-Minuten-Film läuft.«
»Und deshalb machst du so einen Aufstand«, strahlte
Jacquelines Lächeln. »Mir geht es ganz genauso. Gleich zu Beginn war die Reise
noch interessant, weil alles neu für mich war: Die Umgebung, das Schiff, die
Tatsache, dass ich wirklich unterwegs bin. Ich fand es toll. Konnte es gar
nicht glauben. Aber nach vier Wochen war das euphorische Gefühl ausgelutscht.
Heute tu ich mir wieder schwer zu glauben, dass wir wirklich unterwegs sind.«
»Du bist glücklich, Signorita!«, rief Umberto. »Bei mir
war’s schon nach etwas über einer Woche abgelutscht.«
Sie sahen sich gegenseitig mit großen Augen an. Jacqueline
war es schließlich, die zuerst zu Lachen begann. »Ausgelutscht, Umberto.«
»In den uralten Science-Fiction Filmen und auch in den Büchern
wurde das Reisen im Weltraum zu anderen Sternen und Planeten immer so
interessant und spannend und abenteuerlich dargestellt. Doch die Wirklichkeit …«
»… sieht wie so oft – nachdem wir noch keine nutzbare
Einstein-Rosen-Brücke haben – ganz anders aus«, beendete Jacqueline den Satz.
»Naturalmente! Wie sollte es denn auch anders sein? Wollt
ihr einem Zuseher oder einem Leser acht Monate Langeweile am Stück zumuten? Das
hält er ja keine zehn Minuten aus.« Er trank einen großen Schluck aus seinem
Birra-Italiano Glas.
»Wie hast du denn das Bier an Bord gebracht?«, staunte Jacqueline.
»Hab ich gut gemacht, gell?«
»Gibst du mir auch einen Schluck ab?«
»Aber certamente. Kann ja wohl schlecht einer so bellissima
Signorita einen Wunsch abschlagen.«
Jacqueline strahlte und Umberto schien zufrieden damit, ein
gelungenes Kompliment gelandet zu haben. Er schenkte etwas von seinem Bier in
ihren Becher. Gierig trank sie, um gleich darauf eine Mischung aus Luft und
Flüssigkeit über den Tisch zu prusten. Andy fuhr überrascht und ohne auch nur
den Bruchteil einer Sekunde zu zögern mit seinem Sessel einen halben Meter zurück.
Jacqueline verdrehte ihre Augen, zog einen Flunsch und ließ
ihre flache rechte Hand klatschend gegen die Tischplatte krachen. »Was um alles
in der Welt ist das? Das ist doch nie im Leben Bier – nicht einmal
italienisches schmeckt so abscheulich!«
»Das ist der Bierersatz, alkoholfrei natürlich, den uns
unser Arbeitgeber ganz offiziell mit auf den Weg gegeben hat. – Du hattest ihn
bisher – und ich muss einräumen, nicht ganz zu unrecht – nur noch nie probiert.«
»Und das war wohl eine meiner besten Entscheidungen«, grummelte
Jacqueline und verschwand in der Kochnische, um sich den Mund mit Wasser
auszuspülen. »Im Vergleich dazu schmeckt ja das aus dem Urin gewonnene Wasser
wie reinstes Quellwasser.«
»Ich dachte immer«, fuhr Andy, der seinen Faden einfach
nicht verlieren wollte, unbeeindruckt fort, »wir stoßen mit unserem Raumschiff in
Welten vor, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat …«
»Haha, die Filme kenne ich auch. Die waren, als ich noch ein
kleines Mädchen war, schon uralt. Ich habe mich damals schon kaputt gelacht,
als die Crew auf verschiedenen Planeten landete und zwischen Styroporfelsen auf
außerirdische Zivilisationen traf.«
»Zumindest was diese Sache betrifft, werden wir nicht
enttäuscht werden«, meinte der Pilot.
»Du meinst, wir treffen auf dem Mars auf Außerirdische?«
Jacquelines Augen leuchteten.
»Ich meinte, wir werden dort zwischen richtigen Felsen
landen und nicht zwischen jenen, die nur Kulisse sind«, gab Umberto trocken
zurück.
»Wollen wir hoffen. Die Nasa hat ja damals, als es noch eine
Nasa gab, schon herausgefunden, dass es keine kleinen grünen Männchen auf dem
Mars gibt«, warf Jacqueline ein.
»Und du – typisch Frau –«, dabei
Weitere Kostenlose Bücher