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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Muellner
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Gesundheitszustand zur Erde zu schicken.
Habe nun schwerste Bedenken deswegen. Was, wenn ich ihren Zustand nicht
stabilisieren kann? Was, wenn ihre innere Ausgeglichenheit genau so rapide
abnimmt wie ihre sozialen Kompetenzen? Denke, es war eine Fehlentscheidung.
Ließ mich durch die Stimmung und meine Empathie hinreißen. Wie lange darf ich
die Angelegenheit noch auf sich beruhen lassen, ohne dass sie eskaliert? Wie
lange noch, bis ich die gesamte Mission dadurch in Gefahr bringe? Sollte
Patientin K. nicht auf die Psychopharmaka ansprechen, was dann? Verabreichte
ihr schon die stärksten Stimmungsaufheller, die wir an Bord haben. Acht Wochen
noch in diesem Gefängnis. Acht Wochen noch in diesem U-Boot, das in dieser
schwarzen See Richtung Mars schlingert. Fühle mich zum ersten Mal auf diesem
Flug nicht wohl in meiner Haut. Die Chancen stehen 50:50, dass mir die Sache
entgleitet und ich sie nicht mehr beherrschen kann. Bin enttäuscht und auch
schockiert, dass gerade K. ... – Dosierung: 2 x gelb, abends.
    3
Tage später
    Verhalten und vorsichtig tänzelten Schritte über das
Crewdeck. Leise wurde eine Kabinentür geöffnet und beinahe lautlos schnappte
sie zurück ins Schloss. Karen lag in ihrer Koje, die Decke bis über das halbe
Gesicht gezogen, eingemummelt, als gelänge es ihr damit, die bösen Geister
fernzuhalten, die sie immer öfter belästigten. Nur für Jack the Ripper machte
sie eine Ausnahme. Sie fühlte kühle Luft an ihren Beinen, ihrem Hintern, ihrem
Rücken, als die Decke angehoben wurde und jemand zu ihr ins Bett schlüpfte.
    »Hallo Liebes!« Warm und geborgen spürte sie gleich darauf
zwei runde Brüste in ihrem Rücken, die bei einem Drittel der Schwerkraft doch
so viel reizender aussahen, als bei der alles nach unten ziehenden Erdbeschleunigung
ihres Heimatplaneten.
    Leise stöhnte Karen auf. »Es ist so schön, wenn ich dich
spüre«, sagte sie, drehte ihren Kopf und küsste Nancy auf den Mund.
    Diese sagte nichts, drückte
ihren Körper nur noch näher an den ihrer Kommandantin. Mit der linken Hand
suchte sie nach Karens Brustwarzen und begann diese zu kneten. Bald machte sich
die Hand selbstständig und wanderte an Karens Leib hinab, weiter und weiter,
bis sie dort angelangt war, wo sie wesentlich mehr zur Stimmungsverbesserung ihrer
Kommandantin beitragen konnte, als alle noch so intensiv gefärbten Pillen, die Lamin
in seiner Bordapotheke hatte.
    Eine Woche später oder
neunundvierzig Tage vor der Landung hatte sich, trotz aller Bedenken des
Bordarztes, der psychische Zustand von Karen stabilisiert. Zumindest hatte es
den Anschein. Lamin zog diese Diagnose aus der Beobachtung, dass Karens Gesicht
nicht mehr von jenem Grauschleier umhüllt war, der sie wie eine lebende Tote
aussehen ließ. Ihr langes rotbraunes Haar wallte in geschmeidigen Wogen über
ihre Schultern, statt strähnig an ihrem Kopf zu kleben, und ihre Augen
strahlten in einem lebendigen Türkis statt grau und reglos in die Leere zu starren.
Karen war beinahe wieder diejenige, die die Crew zu Beginn der Reise kennen und
schätzen gelernt hatte.
    Privates
Logbuch, Dr. Lamin Berger
    Patientin K. hat in der letzten
Woche enorme Fortschritte gemacht. Habe ich mir all die Sorgen unnötig gemacht?
Bekomme ich in dieser Metalldose schon selbst alle möglichen Angstzustände, von
denen C.G. Jung und S. Freud jemals masturbierend fantasiert haben?
    Derartige Angstzustände wären
mir allerdings lieber, als die beunruhigende und unerklärliche Tatsache, dass das
Medikament, welches ich der Patientin verabreichte, frühestens nach zwei bis
drei Wochen – bei regelmäßiger Einnahme – eine wahrnehmbare Wirkung zeigen
sollte.
    Was Lamin zu diesem Zeitpunkt
nicht wissen konnte, war die Tatsache, dass Karens Besserung und seine
Behandlung nicht in dem von ihm geglaubten Zusammenhang standen.
    Das Crew-Deck, in dessen Mitte der kreisrunde Tisch
Treffpunkt, Kommunikationspunkt, Coffee-Corner und nicht zuletzt auch Esstisch
war – deshalb auch Hauptdeck genannt –, strahlte trotz Ermangelung eines
natürlichen Sonnenstrahls in einem weichen und warmen Licht. Ringsum waren die
Kabinen der einzelnen Crewmitglieder sternförmig angeordnet. Der Anstand wollte
es, dass die Kabinen der Frauen in einem Halbkreis, die der Männer im anderen
Halbkreis lagen; die Tradition verlangte die Kabine der Kommandantin an
Steuerbord, woraus sich die Tatsache ergab, dass die Männer an Backbord
untergebracht waren.
    Andy saß an seinem Platz bei Tisch und

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