Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
gestikulierte er mit seinen
Händen in der Nähe seiner Brust und seines Beckens, »glaubst diesen Unfug auch
noch.«
»Ja, warum denn nicht?«
»Ich«, sagte Andy und holte theatralisch Luft, »glaube auch
nicht, dass es kleine grüne Männchen auf dem Mars gibt. – Vermutlich sind sie
groß und blau oder gelb.«
»Und obendrein womöglich noch Frauen«, fügte Umberto
hilfsbereit an.
»Haha, wirklich ausgesprochen komisch. Habt ihr das der
Kommission vor dem Flug auch erzählt?«, sie verschränkte ihre Arme vor der
Brust.
»Natürlich.«
»Certamente! Das war vermutlich der ausschlaggebende Grund,
warum die uns ausgewählt haben.« Die Männer lachten.
Jacqueline sah die beiden ernst an. »Und ich dachte immer,
es wäre eure Fähigkeit gewesen, an Bord Bier brauen zu können.«
Alle lachten. In diesem Augenblick hallte der Masteralarm
durch das Schiff. Flackernd begannen sich die Lichter zu verabschieden, bis nur
noch die Notbeleuchtung brannte.
Jacqueline, Umberto und Andy stürmten sofort ein Deck höher
auf die Brücke. »Was ist passiert?«, hörten sie Karen aus ihrer Kabine rufen.
Drei Sekunden später war auch sie bei ihrer Mannschaft.
»Vermutlich sind wir auf ein Riff gelaufen«, kam es wie aus
der Pistole geschossen von Catherine, die ebenfalls in die Zentrale gestürmt
kam.
»Das hier ist keine deiner schwimmenden Inseln, auf denen du
einmal warst. Nach über sechs Monaten Flug wäre es wohl kaum zuviel verlangt,
wenn du dich schon darauf eingestellt hättest, dass du nicht mehr bei der
Marine bist«, bekam sie einen Rüffel von Karen.
Umberto und Andy waren bereits an der einzigen noch
verbliebenen Konsole, die Dank der Notstromversorgung noch funktionierte. ›Stromausfall‹
stand groß auf dem Bildschirm zu lesen.
»Verflucht«, tobte Andy. »Kannst du mir vielleicht etwas Genaueres
darüber sagen«, schrie er den Bildschirm an und schlug mit seiner Faust gegen
die Konsole. »Vielleicht etwas, das ich noch nicht weiß!« Wie ein Besessener
hämmerte er Befehle in das Display, betätigte die Eingabetaste. »Sind Sie
sicher?« stand auf einmal in großen Lettern auf blauem Grund. »Nein! Sagt mir
jetzt nicht, dass sich unsere Firma für den ersten Marsflug keine zuverlässigere
Software geleistet hat?«
Niemand antwortete. Falls es so war, war es eine Entscheidung
gewesen, die auf Managementebene gefallen war und offensichtlich war der
Einspruch, den die Crew bereits am Beginn des Trainings eingebracht hatte,
irgendwo zwischen den unzähligen bürokratischen Ebenen im Sand versickert.
»Ich hätte auch lieber die Software gehabt, bei der beim
Hochfahren die angebissene Birne erscheint«, sagte Umberto.
»Das ist ein Apfel, du angebissene Birne!«, sagte Jacqueline.
»Der Reaktor wurde heruntergefahren. Der zweite allerdings
nicht hochgefahren«, sagte Catherine nach einer Weile. Sie saß schräg links hinter
Andy und las diesem Punkt für Punkt aus der Checkliste vor. »Das kann nur ein
Softwarefehler sein«, erklärte sie den Versammelten.
»Die Diagnose reißt mich jetzt nicht gerade vom Sessel«, sagte
Karen mit ruhiger Stimme. »Selbst wenn ich auf einem sitzen würde. Das gesamte
Schiff läuft automatisiert mit dieser Software.« Ihre Stimme wurde lauter. »Da
braucht man nun wirklich nicht jahrelang am MIT, am CalTech oder an der
Carnegie Mellon studiert zu haben, um zu diesem Schluss zu gelangen.« Das
letzte halbe Jahr hatte die Crew – zumindest erweckte es den Eindruck – aus dem
wirklichen Leben gerissen; eingeschläfert durch jene ungebrochene Monotonie und
in eine Lethargie versetzt, aus der sie der Master-Alarm nun allzu plötzlich herausriss.
»Das Protokoll zeigt einen minimalen, aber kontinuierlichen
Anstieg der Kerntemperatur, bis der Reaktor sich automatisch abschaltete. Würde
mich nicht wundern, wenn …«
»Was?« Karen wurde ungeduldig.
»… die Kühlung ausgefallen wäre.«
»Wie kann denn die Kühlung ausfallen?«, echauffierte sich Lamin,
der sich, von den anderen unbemerkt, ebenfalls auf der Brücke eingefunden hatte.
»Auf der sonnenabgewandten Seite haben wir minus hundert-und-weiß-nicht-wieviel
Grad und uns läuft das Kühlwasser heiß?«
»Lamin, bitte!«, schaltete sich Catherine ein. Dies hier ist
ja keines von diesen antiquierten Autos, die noch von einem prähistorischen Verbrennungsmotor
angetrieben wurden; demzufolge gibt es auch kein Wasser zur Kühlung – klar?«
»Willst du jetzt mit mir Haare spalten? Du weißt, was
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