Die Frauen des Journalisten (German Edition)
umarmte sie, ganz so, als hätten sie sich erst gestern hier verabredet. Dann sahen sie sich in die Augen, lachend und neugierig und sie wussten beide, dass sich jeder von ihnen ein Wiedersehen gewünscht hatte. Genau so hatten sie es sich vorgestellt, eine ganz natürliche Vertrautheit voll offener Freude.
„Haben Sie Hunger, wollen wir etwas essen gehen?“, fragte er endlich.
„Ja und Durst.“
„Das Restaurant hier ist sehr gut. Na dann los.“
Dominiques Sekretärin hatte für sie ein Zimmer im Ostberliner Palasthotel reservieren lassen, weil ihr vermutlich der Name zugesagt hatte. In ganz Westberlin war kurzfristig überhaupt kein Zimmer zu bekommen gewesen. Das Hotel war ihr recht, konnte doch Wortmann so ohne große Probleme zu ihr kommen. Was sie nicht wusste war, dass dieses Hotel eines der besten von Ostberlin war, dass man aber nur für Gäste aus dem westlichen Ausland gebaut hatte. Ihr Zimmer lag ganz oben und aus dem breiten Fenster hatte sie einen wunderbaren, unverbauten Ausblick über die breite Straße davor, bis hin zum Roten Rathaus und zum Zentrum mit dem Fernsehturm.
Nach dem Abendessen wollte sich Dominique eigentlich mit Wortmann in das Getümmel der Stadt wagen. Aber es kam alles ganz anders. Wortmann hatte bestellt, was sie an Speisen und Getränken ausgesucht hatte. Sie aßen mit Genuss und Wortmann beantwortete während des Essens alle Fragen, die sie über die Ereignisse in der Stadt stellte. Fast mutete das Abendessen ein wenig geschäftlich an. Während er ihr und sich Sekt in ihre Gläser nachgoss, berührten sich wie zufällig ihre Arme, dann ihre Hände, als sie nach dem vollen Glas griff. So, als wäre das ein Stichwort für sie beide gewesen, waren sie plötzlich ohne Worte. Da war er wieder dieser Blick, der alles um sie versinken ließ. Er griff ihre Hand, zog ihre Handfläche an seine Lippen. Sie drehte ihr Handgelenk nur leicht nach außen, fasste seine Finger und zog ihn während sie aufstand zu sich heran.
„Komm.“, hörte er ihre Stimme leise an seinem Ohr.
Inzwischen war Mitternacht längst vorbei. Sie lag ermattet halb über ihm, das Gesicht an seinem Hals. Leise flüsterte sie:
„Ich habe Durst, riesigen Durst.“
„Wenn du mich aufstehen lässt, werde ich dir etwas aus der Bar holen. Oder soll ich nach einem Kellner läuten?“, antwortete er eben so leise, mit ein wenig Ironie in der Stimme.
„Untersteh dich.“ Sie rollte sich lachend auf die Seite.
„Champagner?“, fragte er, als er einen Blick in die Zimmerbar geworfen hatte.
„Wunderbar, bring alle Flaschen.“
Sie tranken. Er trat mit seinem Glas an das Fenster.
„Ich habe das schon damals gewollt, genau so.“, sagte sie jetzt, während sie ihn betrachtete.
Er kam zu ihr zurück, setzte sich neben sie und ließ seinen Blick über ihren Körper gleiten.
„Ich weiß, aber wir hätten uns nur weh getan. So ist alles richtig.“
Die Lichter der Stadt erfüllten das Zimmer mit einem milden Licht.
Dominique konnte drei Tage in Berlin bleiben, Wortmann nahm Urlaub. Während dieser drei Tage verließen sie das Zimmer nur, wenn sie Hunger hatten. Sie redeten, sie liebten sich, tranken. Erst am letzten Tag sprachen sie von der Zukunft.
„Möchtest du nicht mit mir kommen?“, fragte sie irgendwann, wie nebenbei.
„Dein Leben ist bisher in sehr engen Bahnen verlaufen. New York, reizt dich das nicht? Du kannst bleiben, so lange du möchtest, auch für immer. In meinem Verlag gäbe es genug Arbeit für dich, wenn du willst.“
Er hatte ihr zugehört, seinen Blick weit in die Ferne gerichtet.
„New York, wer träumt nicht davon, wenn er hier in der DDR sein Leben verbracht hat. Ich wäre abhängig von dir, in allem. Mit meinem Geld kann ich dort nichts anfangen, deine Sprache beherrsche ich nur sehr ungenügend. Ich werde darüber nachdenken. Sofort mitzukommen, dafür sind wir nicht mehr jung genug. Lass mir Zeit.“
Erst mehr als ein Jahr später entschloss sich Wortmann Dominique zu folgen. Sein Entschluss war nicht gereift, sondern er war mehr ein Getriebener der Ereignisse geworden, die die überhastete deutsche Vereinigung mit sich brachte. Sein Arbeitsverhältnis war gekündigt worden. Das Ostdeutsche Zeitungswesen musste sich den gesamtdeutschen Verhältnissen anpassen. Er besprach, nachdem sein Entschluss feststand, mit Röder, wie seine Wohnung eventuell weiter vermietet werden sollte. Nein, er konnte nicht alles vollständig aufgeben. Es musste etwas bleiben, wohin
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