Die Frauen des Journalisten (German Edition)
er kommen konnte, wenn … Was, wenn? Es konnte doch nur ein Versuch sein. Der Versuch an anderer Stelle das eigene Leben neu zu ordnen. Und er hatte Sehnsucht nach Dominique.
***
Immer war es jetzt still in der Wohnung, keine Musik mehr, niemand sprach. Es sah in der Wohnung fast so aus wie vor einer Woche, wie vor einem Monat, wie vor einem Jahr. Er war gegangen, sie hatte die Wohnung allein. Mechanisch verrichtete sie die täglichen Handgriffe im Haushalt, nichts trieb sie an. Sie tat, was sie immer getan hatte, danach saß sie oft am Fenster, sah auf die Straße hinunter. Sie stand auf wenn ihr die Augenlider schwer wurden und ging in ihr Bett um zu schlafen. Lag dann aber doch wach mit immer gleichen Gedanken, die kein Ergebnis brachten. Was war ihre Schuld, wofür wurde sie bestraft?
Irene hatte abgenommen, kaum ein Kleidungsstück passte ihr noch richtig. Ihre Gesichtsfarbe wirkte fahl, dunkle Ringe unter den Augen waren Zeugen ihrer Schlaflosigkeit. Keiner ihrer Kollegen fand Zugang zu ihr, außer Frau Martin, die schon in der Vergangenheit Anteil an ihren Problemen genommen hatte. Irene nahm wohl Medikamente, aber die brachten keine bemerkbaren Ergebnisse und von sich aus war sie nicht fähig ihre Situation zu ändern.
An einem Nachmittag nach Arbeitsschluss begleitete Frau Martin Irene. Es war ein warmer Tag, deshalb gingen die beiden Frauen in eine nahegelegene Parkanlage, in der sie ungestört miteinander reden konnten.
„So kann das doch nicht immer weiter gehen Irene.“, fing Frau Martin leise das Gespräch an.
„Gehst du denn regelmäßig zu deinem Arzt, sieht der nicht, wie es dir geht?“
„Doch, er gibt mir Tabletten, aber schlafen kann ich trotzdem nicht. Mir ist alles egal, was soll ich eigentlich so allein. Niemand braucht mich.“
„Soll ich mal mit deinem Arzt sprechen, vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung.“
„Wenn du willst, mir ist es egal.“
„Gut, ich werde gleich morgen zu ihm gehen. Isst du wenigstens regelmäßig etwas, wenn du nach Hause kommst?“
„Mir schmeckt nichts richtig. Im Laden weiß ich nie, was ich mitnehmen soll. Wozu auch.“
„Irene, du musst essen, sonst liegst du bald in einem Krankenhaus. Komm, wir gehen jetzt beide zusammen einkaufen und machen dann ein richtig gutes Abendessen bei dir, ja?“
„Wenn du willst.“
Irene ließ es geschehen, völlig unbeteiligt.
Am nächsten Tag ließ sich Frau Martin zwei Stunden freigeben, damit sie mit Irenes Arzt sprechen konnte. Der Arzt durfte nicht über Irenes Krankheit mit ihr sprechen, das war klar, aber er konnte ihr zuhören.
„Sie müssen doch aber erkennen, dass Frau Wortmann mit Medikamenten allein nicht geholfen werden kann. Die Frau schläft kaum, sie isst fast nichts. Um mir ein Bild zu machen, war ich gestern mit ihr einkaufen. Es war furchtbar. Sie ist überhaupt nicht in der Lage beim Einkaufen die richtigen Lebensmittel auszuwählen. Zu Hause in ihrem Kühlschrank fand ich angebrochene Dosen, inzwischen ungenießbar, saure Milch, kein Obst und so weiter. Sie ist auch nicht fähig jemandem zu erklären, wie es um sie steht, was ihr fehlt, was sie braucht. Wenn man sie weiter sich selbst überlässt, garantiere ich für nichts.“
Der Arzt hatte sich Notizen gemacht, während Frau Martin sprach, war anschließend in sein Vorzimmer gegangen. Frau Martin hörte, dass er eine Telefonnummer wählte und dann mit jemandem sprach. Wenig später kam er zurück.
„So, Frau Martin, ich habe eben mit einem Kollegen gesprochen, weil ich glaube, dass Frau Wortmann dort besser aufgehoben ist. Er ist Facharzt für Neurologie und ich habe auch gleich einen Termin festgemacht. Ihre Wahrnehmungen sind für mich hilfreich gewesen und in dem Bericht an meinen Kollegen werde ich sie verwenden. Wird Frau Wortmann zu diesem Termin hingehen? Was denken Sie?“
„Ich werde darauf achten, ganz sicher.“
„Frau Martin, ohne stationäre Behandlung wird es bestimmt nicht gehen, das heißt, es müsste sich auch jemand um alles übrige kümmern, Wohnung, Post. Ist niemand da, der das machen kann?“
„Nein, sie ist allein.“
Irenes Hausarzt rief am Tag nach dem Gespräch mit Frau Martin in ihrem Betrieb an.
„Frau Wortmann, ich möchte gern mit Ihnen etwas besprechen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie heute Nachmittag in meine Praxis kommen könnten. Sie müssen sich nicht beeilen, ich bin ohnehin heute länger hier. Sind Sie einverstanden?“
Irene hatte sich gewundert,
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