Die Frauen des Journalisten (German Edition)
der Wende eingezogen. Ist sie hier therapiert worden, oder hat sie hier sogar gearbeitet? Als der Unfall geschah, ist sie noch minderjährig gewesen. Wo hat sie gelebt?“
„Du steckst jetzt voll in der Sache, das ist nicht so gut. Sieh` es ein wenig lockerer, wir sind doch nicht von der Polizei und es drängt uns auch niemand. Versuch es von außen zu betrachten, einfach als neutraler Beobachter. Lass uns mal zusammenfassen.... Wir wissen nur, dass sie Waise ist und damals erst 17 war. Sie war mitten in der Pubertät und wir haben das völlig übersehen. Ein solches Erlebnis wie dieser Autounfall, muss doch tiefe Auswirkungen gehabt haben. Möglich ist auch, dass es sie völlig verändert hat.“
„Das ist alles richtig, trotzdem hatte jemand für sie die Verantwortung, damals. Jürgen hat geschlampt, wenn man alte Akten schon nicht selbst einsehen kann, kommt eben so was raus. Hast du mal ein paar Zehner? Da drüben steht eine Telefonzelle, ich rufe den gleich nochmal an, wir brauchen nur den Erziehungsberechtigten.“
Nachdem sie sechs Zehnpfennigstücke zusammengesucht hatten, ging Galuba zur Telefonzelle. Lienhardt lehnte sich währenddessen in seinen Sitz zurück, wartete. Als die Autotür aufging, zuckte er zusammen.
„Na gut, das geht in Ordnung.“ Galuba ließ sich in den Autositz fallen.
„Wir treffen ihn heute noch in unserer alten Kneipe und diesmal kommst du mit. Es wird ja das letzte Mal sein, dass wir ihn brauchen. Wir können da auch gleich hinfahren und ich zeige dir bis zu unserer verabredeten Zeit noch das Sportstadion. Es liegt ganz in der Nähe. Schläfst du mit offenen Augen?“
Er hatte das gefragt, weil Lienhardt einfach nur da saß, sich nicht rührte.
„Quatsch. Schlimm, wenn man ständig in so eine Einrichtung muss, weil man selbst mit sich nicht zurecht kommt.“, er deutete mit dem Daumen über die Straße.
„Der Wortmann hat schon schlimme Zeiten hinter sich. Erst die kranke Frau, dann die Metzler....vermutlich auch krank.“
„Wie ich sehe, stehst du gerade ganz weit draußen, neben der Geschichte, oder ? Reiß dich zusammen.“
Galuba stellte das Autoradio an.
***
Bereits zum vierten Mal hatte sein Telefon geklingelt, aber Robert hatte es nicht eilig an seinen Schreibtisch zu gehen. Er stand in seinem Waschraum vor dem Waschbecken mit nassen Händen. Die Hände lagen auf dem Waschbeckenrand, er betrachtete sein Spiegelbild. Er sah seiner Mutter ähnlich, von seinem Vater hatte er eher Charaktereigenschaften geerbt. In Gedanken war er bei seiner Schwester. Wie ist sie wohl gewesen vor ihrer Krankheit? Langsam trocknete er seine Hände ab. Das Telefon läutete immer noch. Seine Bürotür wurde geöffnet und die Sekretärin kam herein. Sie rief nach ihm, als sie die offene Tür zum Waschraum sah.
„Herr Voigt, ihr Vater ist am Telefon.“
„Danke Frau Marelli, ich komme schon.“ Er kam herein, lächelte ihr zu und trat an den Schreibtisch. Nachdem die Sekretärin das Büro verlassen hatte, nahm er den Hörer ab.
„Hallo, Vater, ich war nebenan.“
Robert führte nur ein kurzes Gespräch mit seinem Vater, an dessen Ende er sich entschuldigte ihn wegen vieler Arbeit erst in der kommenden Woche besuchen zu können. Er konnte es dem Vater noch nicht sagen, dass er in Leipzig gewesen war und wie er Irene gefunden hatte. Zuerst musste er Klarheit über ihren Zustand haben, bevor er den Vater einweihte. Aber wie, wen konnte er um Hilfe bitten? Er griff nach dem Telefonbuch, fast wie abwesend, wusste aber plötzlich, was er wollte. Ein Schulfreund hatte Medizin studiert, dem konnte er sich anvertrauen. Sie hatten sich in den letzten Jahren kaum gesehen, aber er wusste, dass der Schulfreund in Koblenz tätig war. Ihm wollte er jetzt von Irene erzählen und hoffte gleichzeitig auf Hilfe.
Die beiden Schulfreunde trafen sich noch in der gleichen Woche in einer ruhigen Gaststätte unweit der Mosel. Robert war fast erleichtert, dass er sein Erlebnis jemandem mitteilen konnte, nur dass der Freund ihm anschließend wenig Hoffnung machte. Ohne eine genaue Diagnose, aber auch, wenn man die habe, würde vermutlich eine Behandlung langwierig sein. Schließlich machte er Robert klar, dass vorher die verwandtschaftlichen Verhältnisse geklärt werden mussten. Robert und sein Vater existierten doch praktisch in Irenes Leben nicht, niemand wusste von ihnen. Der Schulfreund riet ihm daher dringend, so schnell wie möglich mit seinem Vater zu reden.
„Nun kommst du
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