Die Frauen des Journalisten (German Edition)
längst nicht mehr im Dorf.
Die Kleidung, die die Frau trug, erkannte sie, weil es Sachen von Claudias Großmutter waren. Niemand hatte das Haus bisher geräumt. Daraufhin nahmen die Polizisten die Frau mit. Anfangs wehrte sie sich heftig, weinte dann aber nur noch. Man bat die Nachbarin für den nächsten Tag auf das Polizeirevier, wo sie ein entsprechendes Protokoll unterschreiben sollte.“
Es entstand eine Pause, Dominique wollte ihr Wasser trinken.
„Wie hat nun die Polizei heraus bekommen, wer die Frau war?“
„Die Polizei nicht. Die hat die Frau zuerst zu einem Arzt gebracht, weil ihr Gesamtzustand sehr bedenklich gewesen sei. Was dort weiter geschah, hat man der Nachbarin bei der Polizei natürlich nicht gesagt, nur den Namen – Irene Wortmann.“
„Vermute, dass man ihr Medikamente zur Beruhigung gegeben hat, wodurch dann ihre Identität festgestellt werden konnte. Oder was meinst du?“, Lienhardt sah Galuba fragend an.
„Schon möglich. Tja, die werden uns auch nicht sagen, wo Frau Wortmann jetzt ist und wie es ihr ergangen ist. Die beiden Frauen kennen sich also doch. Beide haben psychische Probleme.“
Galuba sah erst Dominique, dann Lienhardt an, nahm sein Glas, drehte es hin und her.
„Die müssen sich in der Tagesklinik kennengelernt haben, damit erklärt sich auch die Reaktion von dieser Therapeutin.“
„Aber was ist aus Frau Wortmann geworden?“
***
Äußerlich blieb Hermann Voigt gelassen, als sein Sohn ihm von Irenes Krankheit berichtete. Die Arme vor der Brust verschränkt, die Beine gerade soweit auseinander, wie es nötig war um einen völlig sicheren Stand zu haben, stand er vor dem weiten Fenster und sah in den Garten hinaus. Blühende Sträucher und Bäume, kurzgeschnittener Rasen, frisch bepflanzte Rabatten, all das sah er nicht. Sein Blick folgte den Wolken. Nachdem Robert seinen Bericht beendet hatte, drehte er sich vom Fenster weg, ging einige Schritte durch das Zimmer. Er blieb dann vor Robert stehen, sah den Sohn an und nickte.
„Wir werden alles vorbereiten. Sobald du wieder allein in der Firma zurecht kommst, fahre ich nach Leipzig. Diesen Entschluss habe ich auch schon längst gefasst, nicht erst heute.“
„Einverstanden Vater. Du wirst dort dringender gebraucht.“
„Wann werden die Metallteile aus deiner Schulter wieder entfernt?“
„Ich glaube im September war der Termin. Ende Oktober, Anfang November sollte dann alles in Ordnung sein.“
„Am Sinnvollsten wird es sein, wenn ich mir dort eine kleine Wohnung suche. Nur immer im Hotel, das möchte ich eigentlich nicht. Marelli soll da mal Kontakt zu einem Makler aufnehmen. Weißt du Robert, irgendwie spüre ich auch ein wenig Abenteuerlust und Ungeduld. Es ist so, als würde ich nach langer Zeit nach Hause zurückkehren. Ein Gefühl, das man schwer beschreiben kann, ungefähr so; du willst das voll und ganz, aber trotzdem wehrt sich in dir alles dagegen.“
Frau Marelli erhielt den Auftrag für Hermann Voigt in Leipzig eine kleine Wohnung zu finden. Wie es sich bald herausstellte, war es zwar leicht einen Makler zu finden, aber mit Wohnungen war es weitaus schwieriger. Oft waren die Eigentumsverhältnisse an den Immobilien ungeklärt, so dass sich viele Wohnungen in noch keinem guten Zustand befanden. Dann wieder wurden ihr ganze Häuser, in angeblich bester Lage als Investitionsobjekte angeboten. Schließlich gelang es ihr dann doch eine geeignete Wohnung zu finden. Als der Mietvertrag unterzeichnet war, bat Frau Marelli darum, sich persönlich um die Ausstattung der Wohnung kümmern zu dürfen. Warum eigentlich nicht, dachte sich Hermann Voigt, so geht mit Sicherheit alles problemlos seinen Gang.
Einige Wochen vorher fuhr dann Frau Marelli nach Leipzig, um für ihren ehemaligen Chef den Aufenthalt dort so angenehm wie möglich vorzubereiten. Zwischenzeitlich war sie wieder in Koblenz, kümmerte sich zusätzlich um das Chefbüro, traf einige Absprachen, und fuhr dann wieder in den Osten.
Wie vorgesehen, wurden Mitte September bei Robert alle Metallteile entfernt und anschließend absolvierte er wieder Beweglichkeitstraining und Muskelaufbau. Für Hermann Voigt verging diese Zeit schnell, er war voll mit dem Betriebsgeschehen beschäftigt. Am letzten Oktobertag übergab er seinem Sohn endlich die komplette Führung des Betriebes. Irgendwie fühlte er sich erleichtert, einerseits darüber, dass Robert nun völlig gesund war und ohne ihn auskam, andererseits, dass er sich jetzt
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