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Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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einschmuggelte und er sich zum ersten Mal mit der Außenwelt verbinden konnte, war der beste Tag seines Lebens, oder jedenfalls der beste Tag, seit er in Lövhaga eingesperrt worden war. Vor dieser Freiheitsberaubung hatte es viele glückliche Stunden gegeben, aber das gehörte zu einer anderen Zeitrechnung. Zu der Zeit davor. Edward teilte sein Leben in davor und danach ein. Das war eine gute Art und Weise, sein Dasein zu betrachten. Vor und nach den grundlegenden Veränderungen, die auf jedem Lebensweg lagen.
    Vor und nach Mama.
    Vor und nach Sebastian Bergman.
    Vor und nach Lövhaga.
    Vor und nach dem Modem.
    Seit er es hatte, erlebte er jeden Abend zweihundertvierzig produktive und bereichernde Minuten. Er benutzte es nur nach dem Einschluss. Aus alter Gewohnheit wählte er sich zwischen 21.00 und 1.00 Uhr nachts ein, denn dann war das Risiko für eine plötzliche Inspektion der Zelle nicht existent. Hinde verstand nicht, wie die Verantwortlichen diese Zustände zulassen konnten. Eigentlich hieß es in den Bestimmungen, dass alle «unangekündigten Zellendurchsuchungen» – wie der Name schon sagte – unregelmäßig, überraschend und unmöglich vorhersehbar sein sollten. Trotzdem kamen sie zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens nie vor. So war es jedenfalls die letzten sechs Jahre gewesen. Edward begriff schnell, dass der Grund für diese Idiotie dieselben Einsparungen waren, die auch den früheren Einschluss zur Folge gehabt hatten. Jetzt begann die Nachtschicht schon um 19.00 Uhr. Außerdem hatte man das Nachtpersonal, das ohnehin schon reduziert war, weiter vermindert und überraschende Inspektionen damit im Prinzip unmöglich gemacht. Und das würde auch so bleiben, bis zu dem Tag, an dem irgendeine kluge Person den Missstand erkannte und das Wachschema änderte oder die nächtliche Personalstärke erhöhte. Hinde war zunächst beunruhigt gewesen, als er gehört hatte, dass Lövhaga einen Nachfolger für Sven Tidell gefunden hatte, aber nach seinen beiden Begegnungen mit Thomas Haraldsson war er sich sicher, dass dieser auf keinen Fall die Person war, die zu einer solchen Einsicht gelangen würde. Solange Haraldsson Gefängnisdirektor war, gehörten das Modem und die zweihundertvierzig Minuten Edward Hinde. Und nur ihm.
    Nacht für Nacht versteckte er das kleine Plastikstück in einem Lüftungsventil hinter dem Bett. Er hatte herausgefunden, wie man das Gitter mit dem Stil eines Kaffeelöffels aufschrauben konnte. Dahinter hatte er bis zum Eintreffen des Modems mit demselben Löffel viele Nächte lang einen kleinen Hohlraum in die Ziegelwand geschabt, unmittelbar links neben dem Ventil. Dann hatte er die Aushöhlung in ein Geheimfach verwandelt, indem er eine kleine, ziegelähnliche Scheibe gebastelt hatte, die er davorsetzen konnte. Selbst wenn jemand wider aller Erwartung die Lüftungsklappe öffnete, wäre nichts zu sehen.
    Mittlerweile war er so geübt, dass es ihn durchschnittlich zwei Minuten kostete, sein geliebtes kleines weißes Modem hervorzuholen. Heute ging es sogar noch schneller, weil er so inspiriert war. Er wählte sich schnell ein und begann gewohnheitsgemäß bei seiner üblichen Startseite, die er schon lange eingerichtet hatte.
    Fyghor.se.
    Dort wartete neues Material auf ihn. Er liebte das Internet wirklich. Hier konnte man alles finden, wenn man nur wirklich wollte. Wenn man wusste, nach was oder wem man suchte. Wenn man jeden Tag zweihundertviezig Minuten Zeit hatte.
    Woche für Woche.
    Jahr für Jahr.

D raußen brach die Dunkelheit herein, aber die Wohnung war lichterfüllt. Als Ralph von der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte er das Ritual strengstens befolgt, und jetzt brannten alle Lampen. Er hatte über all seine Aktivitäten Bericht erstattet und saß nun an dem großen weißen Tisch in seinem ziemlich kahlen Wohnzimmer. Die schwarze Mappe war das Einzige, was vor ihm lag. Er war erneut dabei, Zeitungsartikel zu sortieren, und ging besonnen und methodisch vor. Dass er diese Tätigkeit so genoss, freute und ärgerte ihn zugleich. Einerseits liebte er es, die Kraft der schwarzen Schlagzeilen und die Verlockung der schwarzweißen Fotos zu spüren, gleichzeitig irritierte es ihn, dass seine Disziplin dadurch teilweise außer Kraft gesetzt wurde. Normalerweise fühlte er sich nicht wie ein Kind im Süßigkeitenladen. Er hatte lange geübt, seine Triebe und Bedürfnisse zu unterdrücken, aber der Druck in seinem Inneren war enorm. Er schob es darauf, dass er noch nicht das

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