Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
war im gleichen Stil gehalten wie die übrige Wohnung. Nur das helle, ordentlich gemachte Einzelbett hob sich davon ab. Genauso viele Stehlampen. Eine Taschenlampe auf dem Nachttisch. Viel Licht. Doch nach den Bildern an der Wand in der Kammer erschien diese Helligkeit wie eine Lüge. Dies war die finsterste Wohnung, die er je betreten hatte. Er warf einen Blick in den einzigen Schrank. Einige ordentlich gebügelte Hemden und Hosen hingen in Reih und Glied. Darunter lagen in Drahtkörben Batterien und Taschenlampen in militärischer Ordnung, und in den Körben unter ihnen Socken und Unterhosen.
Ralph Svensson hatte den Taschenlampen eine höhere Priorität zugedacht als der Unterwäsche. Es stand außer Zweifel, dass er unter Zwangsstörungen litt. Die Frage war nur, wie viele Diagnosen man über ihn stellen konnte. Und ob man sich überhaupt noch die Mühe machen wollte. Sebastian war die Lust jedenfalls gründlich vergangen.
Er nahm eine der großen Taschenlampen in die Hand und drückte den breiten Gummiknopf. Das Licht ging sofort an. Aufgeladen und bereit. Als er sie zurückstellen wollte, entdeckte er etwas, das unter der Lampe versteckt gelegen hatte. Es sah aus wie ein Führerschein, jedenfalls hatte es dieselbe hellrosa Farbe wie sein eigener. Er hob ihn vorsichtig auf und drehte ihn um.
Von dem Foto auf dem Führerschein starrte ihn Trolle Hermansson an.
Sofort überkam Sebastian eine innere Kälte. Und der Schmerz. Er war gezwungen, das Dokument erneut anzusehen. Die Einträge zu lesen. Mehrmals. Doch er las jedes Mal den Namen Trolle Hermansson.
Deshalb war er nicht an sein Handy gegangen.
Deshalb war er nicht zu Hause gewesen.
Er hatte denjenigen gefunden, der Sebastian verfolgt hatte. Womöglich sogar Anna gerettet. Aber er hatte dafür mit seinem Leben bezahlen müssen.
Eine andere Erklärung gab es nicht. Aus welchem Grund sollte Trolles Führerschein sich sonst in der finstersten aller Wohnungen befinden?
Sebastian hatte erneut verloren.
Alle, denen er nahe kam, wurden von ihm weggerissen. Brutal und gewaltsam. Das war die Wahrheit. Die einzige Wahrheit, die sich ihm wieder und wieder offenbarte. Er hatte lange versucht, dagegen anzukämpfen, sie von sich fernzuhalten. Nicht sich, sondern immer den anderen die Schuld gegeben. Gott, seiner Mutter, seinem Vater, Anna, Vanja, ja, allen anderen als dem, der die Verantwortung wirklich trug. Denn es blieb nur einer zurück, den die Schuld traf. Vorsichtig legte er die Taschenlampe ab und steckte den Führerschein in seine Tasche.
Jetzt war es vorbei. Er gab auf.
Da stand sie plötzlich hinter ihm.
«Er hatte auch einen Computer. Billy wird ihn sich ansehen. Nachdem Svensson ihn gegen die Wand geschleudert hat, ist nicht sicher, ob wir noch etwas darauf finden können.»
Er erwiderte nichts. Als sie sich gerade umdrehte und wieder gehen wollte, brachte er das letzte bisschen Kraft auf, das er noch hatte, und versuchte sie aufzuhalten.
«Ursula?»
Sie antwortete nicht, blieb aber stehen.
«Ich glaube auch, dass ich Vergebung brauche. Aber ich weiß nicht, wie ich sie jemals bekommen kann.»
«Ich eigentlich auch nicht. Aber die, die es wissen, sagen, dass Ehrlichkeit am besten hilft.»
Sie ging wieder.
Er sagte nichts mehr.
Aber er spürte Trolles Führerschein in seiner Tasche. Und die Schuld, die auf seinen Schultern lastete.
Ihm würde nie vergeben werden.
Niemals.
Er saß auf einem Stein vor dem Haus, als sie neben dem Polizeiauto parkten. Er hatte dort bestimmt eine halbe Stunde lang regungslos gesessen und den Führerschein in der Hand gehalten, als könnte er damit seinen Schmerz lindern. Die beiden stiegen aus und stapften auf das Haus zu. Vanja ging voran, Torkel hinterher. Sie waren mitten in einer Diskussion und unterhielten sich aufgekratzt. Als wäre er gar nicht da. Und das stimmte ja auch. Eigentlich war er nicht mehr da.
Vanja schien stolz auf ihren ersten Fernsehauftritt.
«Anna hat es im Fernsehen gesehen. Sie hat von Oma aus angerufen.»
«Wie geht es deiner Oma? War sie nicht krank?», fragte Torkel besorgt, während er sie einholte.
Sebastian stand langsam auf und steckte den Führerschein in die Tasche seines Jacketts. Dann nahm er seinen Passierschein in die Hand und ging ihnen entgegen.
«Es geht ihr schon viel besser, Anna kommt wieder nach Hause», fuhr Vanja fort.
«Wie gut, dass es nichts Schlimmes war.»
Erst jetzt schienen sie den Mann zu sehen, der auf sie zukam. Sie erstarrten, verstummten und
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