Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Er wahrte den Abstand. Schon nach wenigen Schritten stieß Vanja gegen das Auto. Sie warf einen kurzen Blick hinter sich und schaute dann wieder zu Roland hinüber. Das Adrenalin pumpte durch ihre Adern. Sie spürte ihr Herz pochen, als sie sich am Auto entlang nach rechts tastete, bis sie es nicht mehr berührte. Sie machte noch einen Schritt nach rechts, jetzt stand sie mitten auf dem Weg. Hinter ihr gab es nichts mehr, was sie aufhalten konnte.
Vor ihr stand Roland Johansson. Groß und stark.
In einem Nahkampf würde sie ihn nie bezwingen können. Aber vor ihm wegrennen konnte sie. Er ging weiter auf sie zu.
Roland trat einen Schritt vor. Vanja einen zurück. Kontrolliert. Ruhig. Sie tastete mit dem Fuß über den Boden, bevor sie ihn absetzte. Sie durfte jetzt nicht stolpern, dann wäre alles vorbei. Sie hielt den Abstand. Bereitete sich darauf vor, sich blitzschnell umzudrehen und davonzurennen. Loszusprinten. Mit einem Vorsprung von sieben Metern würde er sie nicht einholen. Keine Chance. Sie würde es schaffen.
Roland blieb stehen. Jetzt, als sie loslaufen wollte. Jetzt! Vanja stieß sich mit dem linken Fuß vom Boden ab, so fest sie konnte, und drehte sich gleichzeitig um. Sie war in der Luft …
… und spürte im nächsten Moment einen brennenden Schmerz in der Brust, der sich im ganzen Körper ausbreitete. Das rechte Bein, das sie noch weiter abstoßen sollte, zitterte lediglich hilflos, und der Fuß fand auf dem Kies keinen Halt mehr. Ihr Knie gab nach. Von weitem hörte sie einen Schrei, und als der Boden auf sie zuraste, merkte sie, dass sie selbst es war, die schrie. Sicherlich tat der Aufprall weh, aber sie registrierte ihn nicht. Der neue Schmerz war geringer als der erste, der noch immer ihren ganzen Körper erschütterte. Kleine Steine pressten sich in ihr Gesicht, während sie dort lag und zitterte. Durch ihren Tränenschleier konnte sie sehen, wie sich eine Gestalt näherte. Sie blinzelte fest und wusste nicht einmal, ob sie es absichtlich tat. Ihr Körper wollte ihr noch immer nicht gehorchen. Für einige Sekunden sah sie klar. Aber das konnte nicht stimmen.
Es war undenkbar. Unmöglich.
Dort stand Edward Hinde.
Mit einer Elektroschockpistole.
S ebastian riss die Glastür auf und stürmte ins Polizeipräsidium. Ohne seine Passierkarte kam er jedoch nur bis zur Rezeption, und die Frau dahinter weigerte sich, ihn hineinzulassen, sosehr er auch schrie und tobte. Und Torkel war noch nicht da. Er hatte Sebastian wenige Minuten nach ihrem ersten Telefonat zurückgerufen und berichtet, dass Vanja auch bei ihm nicht an ihr Handy ging. Diesmal hatte er bedeutend besorgter geklungen als beim letzten Gespräch und wollte Billy anrufen, falls der vielleicht wusste, wo Vanja steckte. Er selbst war mittlerweile auf dem Weg ins Präsidium.
Das war vor zehn Minuten gewesen.
Sebastian rannte wieder nach draußen. Solange er sich bewegte, erschien ihm die Angelegenheit weniger beängstigend. Er nahm sein Telefon in die Hand und ging ein Stück die Hantverkargatan entlang, während er darauf wartete, ob sich Torkel noch einmal melden würde. Doch dann sah er ihn schon in einiger Entfernung in seinem Auto herannahen. Er steckte das Handy weg, rannte wild gestikulierend auf das dunkle Auto zu und rief Torkels Namen. Die Leute auf der Straße drehten sich nach ihm um, aber das war Sebastian egal. Jetzt musste Torkel ihn gesehen haben, denn er bremste ab, machte nach der Ampel einen U-Turn und brauste auf ihn zu. Er fuhr an den Straßenrand und hielt direkt vor Sebastian.
Torkel streckte seinen Kopf aus dem Fenster. «Billy glaubt, dass sie joggen ist, das hatte sie zumindest vor, sagt er.»
«Sie läuft immer hinter der Technischen Hochschule.»
«Bist du sicher?»
«Ja. Oder ich glaube es zumindest. Das hat sie irgendwann mal erzählt.»
Natürlich wusste er exakt, wo sie trainierte. Auch da war er ihr einige Male gefolgt. Nicht über die ganze Laufstrecke. Aber er war dort gewesen. Am Start und am Ziel. Sie würde sicher die große Runde laufen. Das tat sie immer, wenn sie Zeit hatte. So, wie er ihr gefolgt war, hatte es womöglich auch Ralph getan. Der Schatten des Schattens. Dann konnte auch Hinde Bescheid wissen.
Sebastian hatte zu lange stillgestanden, die Panik kehrte zurück. «Wir müssen sie finden!», schrie er und riss die Beifahrertür auf.
Torkel versuchte ihn zu beruhigen. «Billy ist schon unterwegs. Wir warten auf ihn. Er ist schon ein paarmal mit ihr zusammen gelaufen. Vielleicht
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