Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
allmächtigen Ideen gekommen. Nie hätte er eine derartige Initiative gezeigt. Es würde Sebastian schwer verwundern, wenn ihm jemals irgendetwas in seinem Leben auf eigene Faust gelungen wäre. Wie sehr er Hinde verehrte, zeugte jedenfalls vom Gegenteil. Und auch die Zeitungsausschnitte, die sie bei Ralph zu Hause gefunden hatten, sprachen Bände.
Ruhm und Bestätigung.
Hinde hatte ihm beides gegeben, was es Sebastian erschweren würde, das zu bekommen, was er wollte. Erschweren, aber nicht unmöglich machen. Er musste es nur schaffen, einen Keil zwischen die beiden zu treiben.
«Wissen Sie, wie wir Sie gefunden haben?»
«Ja.»
«Sie wissen also auch, wer Sie verraten hat?»
«Ja, man hat es mir erzählt.»
«Es muss merkwürdig sein, wenn einen jemand, auf den man sich verlässt, so im Stich lässt.»
«Wenn der Meister einen Plan hat und dies ein Teil davon ist, dann …» Ralph hob unschuldsvoll die Hände.
Wenn man nicht wusste, dass er vier Frauen umgebracht hatte, hätte man ihn schon fast als fromm einstufen können.
«Ich bin nur ein einfacher Mann, der versucht, in die Fußstapfen eines großen Mannes zu treten», fuhr er fort.
Sebastian begann, in dem kleinen Raum auf und ab zu gehen. Ihm lief die Zeit davon. Er musste sich wirklich anstrengen, um seine Nervosität nicht sichtbar werden zu lassen. Leider würde er das Prozedere nicht abkürzen können, das wusste er.
«Sie sind garantiert mehr als das. Deshalb hat Edward dafür gesorgt, dass Sie hier gelandet sind.»
«Wollen Sie mir schmeicheln?»
«Sind Sie das etwa nicht wert?»
«Alles, was ich bin, habe ich dem Meister zu verdanken. Und Sie auch.»
«Aha? Inwiefern?»
«Ihre Bücher, das sind seine Worte. Seine Handlungen haben Ihren Erfolg überhaupt erst ermöglicht. Und meinen. Er ist ein großer Mann.»
Sebastian hörte genau zu. Ralphs Worte klangen ein wenig heruntergeleiert. Als wären sie einstudiert. Wie ein Mantra. Als wären sie irgendwann einmal wahr gewesen, und jetzt schwang ein leiser Zweifel darin mit. Oder hörte Sebastian nur das, was er hören wollte?
«Sie meinen also, dass wir beide nur kleine Fische sind. Ziemlich ärgerlich, wenn Sie mich fragen.»
«Der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass Sie glauben, Sie könnten sich mit ihm messen. Ich weiß, dass ich es nicht kann.» Ralph nickte vor sich hin, als hätte er gerade eine wichtige Einsicht gewonnen. «Das ist es doch, was er uns zeigen will. Unseren Platz in der Hölle, die sich Leben nennt.»
Sebastian ignorierte die Pseudorhetorik und kam zum Wesentlichen. Was würde man wollen, wenn man ganz unten wäre? Nach oben klettern.
«Aber Sie haben Ihren Platz verlassen.» Sebastian legte seine Handflächen auf den Tisch und beugte sich näher zu Ralph vor. «Sie haben sich entwickelt. Sie können mehr, als sich mit ihm zu messen.»
Ruhm und Bestätigung.
Es funktionierte offenbar. Ralph legte seinen Kopf ein wenig schief. Er hörte nicht nur zu, er schien auch zu grübeln. Im Idealfall überdachte er alles noch mal.
«Finden Sie es denn nicht interessant, dass Edward Sie gerade in dem Moment hinter Gitter gebracht hat, als Sie dabei waren, ihn zu übertrumpfen?», fuhr Sebastian fort.
«Das sehe ich nicht so …»
Vielleicht hatte er es früher nicht so gesehen, aber jetzt setzte sich der Gedanke allmählich in ihm fest. Das konnte Sebastian erkennen. Er setzte den eingeschlagenen Weg fort. Vielleicht führte er ja zu etwas.
Ruhm und Bestätigung.
«Edward sieht das aber so», hielt er fest. «Er hat Sie garantiert nur aus einem Grund hierher gebracht. Weil er sich Sorgen machte, dass Sie größer werden könnten als er.»
Sebastian spürte, wie sich Ralph auf seinem Stuhl aufrichtete. Er wuchs mit jedem Wort, mit jeder Erkenntnis.
«Das glaube ich nicht.»
Doch, und wie du das glaubst, dachte Sebastian. Jetzt glaubst du es. Kann schon sein, dass du ein Vollblutpsychopath bist, aber deine Körpersprache hast du nicht gut unter Kontrolle.
Jetzt musste er es ihm nur weiter einreden. Ihm keine Zeit zum Nachdenken lassen. Der Keil war gesetzt. Jetzt galt es nur noch, Ralphs Panzer zu durchbrechen.
«Dann fragen Sie mich mal. Vor wem habe ich Angst, vor Edward oder vor Ihnen? An wen denke ich? Überlegen Sie.»
Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Er musste gar nicht groß nachdenken. Sich keine Gedanken über die Formulierungen machen. Im Grunde war es die Wahrheit, und es war schön, sie endlich auszusprechen. Welche Angst er gehabt
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