Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
kommen. Für Vanja konnte jede Minute wichtig sein.
«Ich brauche Ihre Hilfe.»
Ralph sah zu ihm auf. Durch und durch verwundert.
«Ich soll Ihnen helfen?»
«Das ist die einzige Möglichkeit. Ohne mich können Sie Hinde nicht herausfordern. Sonst bleiben Sie nur eine Fußnote in den Geschichtsbüchern. Während Edward immer weiterlebt.»
«Und was soll ich tun?»
Sebastian musste mit sich kämpfen, um nicht in Gelächter auszubrechen. Was war er doch gut! Schön, endlich wieder zurück zu sein.
«Mir eine Frage beantworten.»
«Okay.»
«Angenommen, Hinde ist nicht bei dem Opfer zu Hause. Wo würde er die Frau stattdessen hinbringen?»
«Wissen Sie, wen er sich als Nächstes nehmen wird?»
«Ja.»
«Hat er es schon getan?»
«Ja.»
«Aber Sie wissen nicht, wo sie sind?»
«Nein.»
Ralph lächelte und schüttelte den Kopf. Jetzt hatte er sich wieder unter Kontrolle. Vielleicht ein bisschen zu sehr. Sebastian ahnte, dass Ralph bald nicht nur einen von ihnen als Gegner ansehen würde, sondern sie beide herausfordern wollte. Er musste die Sache beschleunigen, aber weiterhin untertänig wirken.
«Sie sollten Ihr Buch lesen.»
«Welches?»
«Das erste. Seite 112.»
Er lächelte erneut. Gluckste sogar ein bisschen vor sich hin.
«Habe ich etwas verpasst?», fragte Sebastian, der eigentlich bereits auf dem Weg nach draußen war.
«Das ist die Notrufnummer. 112. Bei der man anruft, wenn man gerettet werden will. Mir gefiel die Symbolik einfach.»
Sebastian kommentierte den Satz gar nicht erst. Er verließ den Raum und hoffte sehr, dass er nie wieder zurückkehren müsste.
W as hat er gesagt?»
Torkel hatte direkt vor dem Verhörraum gewartet und begleitete Sebastian den Flur entlang.
«Habt ihr meine Bücher irgendwo?»
«Welche Bücher?»
«Na die Bücher, die ich geschrieben habe. Gibt es sie hier?»
«Ich habe sie oben in meinem Büro.»
Sebastian beschleunigte seine Schritte, riss die Tür zum Treppenhaus auf und begann die Treppe hinaufzulaufen, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm. Der Aufzug wäre schneller gewesen, aber er war gezwungen, sich zu bewegen. Die Energie durchströmte ihn wie eine physische Kraft. Torkel musste sich anstrengen, um Schritt zu halten.
«Gibt es etwas Neues von Vanja?», fragte Sebastian über die Schulter, während er weiter die Treppen hinaufstieg.
«Nein. Wir haben die Laufstrecke im Lill-Jans-Wald abgesucht. Ohne Ergebnis.» Torkel keuchte angestrengt. Er war schon völlig außer Atem. «Aber wir haben den Krankenwagen gefunden. Zwei Tote, zwei Verletzte. Er hatte definitiv einen Helfer.»
«Roland Johansson.»
«Vielleicht. Vermutlich.»
Sebastian setzte seinen Weg nach oben mit unvermindertem Tempo fort.
«Was ist denn mit deinen Büchern? Was hat er gesagt?»
Torkel atmete schwer zwischen jedem Satz. Sebastian antwortete nicht, rannte nur weiter die Treppen hinauf, auch er war inzwischen atemloser.
«Sebastian, rede mit mir!»
Torkels Stimme überschlug sich fast. Er war außer sich vor Sorge. Verständlicherweise. Er hatte die Antworten verdient, die Sebastian ihm geben konnte.
«Er sagte, dass darin stehen würde, wo Hinde ist.»
«In deinen Büchern?»
«In einem davon, ja.»
«Aber du hast sie doch geschrieben. Erinnerst du dich denn gar nicht?»
Sebastian sparte sich die Antwort. Wüsste er die Stelle, würde er jetzt nicht die Treppen hinaufstürzen. Die Sorge um Vanja hinderte ihn daran, klar denken zu können. Er setzte seinen Weg fort, Torkel lief hinterher.
In Torkels Büro angekommen, ging Sebastian sofort zum Bücherregal. Er erkannte die braunen Buchrücken mit der gelben Beschriftung sofort und zog das erste Buch heraus. «Er wirkte doch immer so nett», hieß es. Der Untertitel: «Edward Hinde – Serienmörder.» Das Zitat stammte von einem Mann, mit dem Edward drei Jahre lang zusammengearbeitet hatte. Genau wie alle anderen, mit denen Sebastian im Laufe seiner Arbeit gesprochen hatte, war dem Kollegen während der ganzen Zeit nichts Verdächtiges an Hinde aufgefallen. Das war auch nicht weiter verwunderlich. Edward Hinde war eine äußerst manipulative, tarnfähige Persönlichkeit. Die Allermeisten sahen in ihm nur das, was sie sehen wollten.
«Weißt du, wo du suchen musst?», fragte Torkel eifrig.
«Ja. Warte mal kurz.»
Sebastian fand die richtige Seite, schlug das Buch auf und begann zu lesen.
Für einen Serienmörder wie Hinde, der ein Bedürfnis nach Struktur hat, ist die Wahl des Ortes, an dem der Mord
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