Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
aber das hier? Möglicherweise hatte er im Suff am falschen Ort mit der falschen Person gesprochen. Sicher glaubte keiner im Team wohl ernsthaft, dass Trolle in den Fall involviert war, aber was würde passieren, wenn Vanja zu ihm fuhr und ihn massiv unter Druck setzte? Sebastian wurde bei diesem Gedanken ganz anders. Vor seinem inneren Auge sah er, wie Vanja Trolle zusetzte. Wie Trolle erzählte, womit Sebastian ihn beauftragt hatte. Verdammt, Vanja würde ihn nicht einmal in die Mangel nehmen müssen. Trolle würde ihn schlicht und einfach verpfeifen, nur weil ihm das Spaß machte. Sebastian schluckte und versuchte, sich auf die Diskussion im Raum zu konzentrieren.
«Ich sage ja nicht, dass es einer von euch war. Aber am Tatort muss es doch gewimmelt haben von Uniformierten und Leuten von der Spurensicherung», fuhr Billy beharrlich fort. «Wenn ihr das Essen gefunden habt, kann es doch wohl auch einer der anderen gesehen haben?»
«Das Essen habe ich erst viel später gefunden. Hinde hatte mir davon erzählt. Wenn wir es selbst entdeckt hätten, dann würden sich Torkel und Ursula mit Sicherheit daran erinnern.» Sebastian fixierte Billy. «Denk doch mal nach, verdammt.»
«Das habe ich doch. Ich hab einfach nur außerhalb der gewohnten Bahnen gedacht … Na gut, okay, ich bin übers Ziel hinausgeschossen.»
Vanja sah ihren Kollegen verwundert an. Es war Billys Stimme, aber es waren nicht seine Worte. Seit wann dachte Billy außerhalb der gewohnten Bahnen? Beziehungsweise, das tat er vielleicht schon, aber seit wann drückte er sich so aus?
«Das dürft ihr dann morgen mit Hinde besprechen», erklärte Torkel. «Man hat euch eine Besuchserlaubnis erteilt.»
«Aber was steckt hinter der Sache mit dem Essen?», fragte Ursula. «Warum versteckt er es?»
«Das steht in meinen Büchern», antwortete Sebastian knapp.
«Ich habe deine Bücher nicht gelesen.»
Sebastian drehte sich zu ihr um. Sie grinste ihn vergnügt an. Wie konnte das wahr sein? Hatte sie tatsächlich aus reinem Trotz darauf gepfiffen, die besten Bücher über Serienmörder zu lesen, die jemals auf Schwedisch geschrieben worden waren?
«Ich auch nicht», räumte Billy ein.
Sebastian seufzte. War es denn wirklich die Möglichkeit, dass die Hälfte der besten Mordermittler des Landes seine Bücher nicht gelesen hatte? Vanja schon, das wusste er, aber was war mit Torkel? Er musterte ihn, doch Torkels Blick verriet nichts.
Er musste sie doch aber gelesen haben? Oder? Sebastian seufzte erneut. Er hatte Edward Hindes Geschichte bereits in vielen Vorträgen erläutert. Er kannte sie in- und auswendig. Jetzt sah es so aus, als müsse er sie noch einmal erzählen. Jedenfalls in einer Kurzversion.
«Edward wuchs allein mit seiner Mutter auf. Sie war bettlägerig. Krank. Leider in mehrerlei Hinsicht. Er hat mir erzählt, dass er sich noch sehr gut an das erste Mal erinnert. Es war ein Mittwoch. Er war gerade aus der Schule gekommen, und er …
steht da und macht sich etwas zu essen. Die Fischstäbchen brutzeln in der Pfanne. Die Kartoffeln kochen bei verschlossenem Topf, genau, wie sie es ihm beigebracht hat. Er freut sich schon auf die Mahlzeit. Er mag Fischstäbchen, und als Nachtisch, so stellt er es sich vor, werden sie sich die restliche Torte teilen, die von seinem Geburtstag übrig geblieben ist. Er summt leise vor sich hin. A Hard Day’s Night von den Beatles. Der Song ist derzeit auf Platz 1 der Hitparade. Er hat gerade angefangen, Tomaten zu schneiden, als sie nach ihm ruft. Er legt das Messer beiseite und stellt sicherheitshalber den Herd aus, bevor er die Treppe hinaufgeht. Manchmal möchte sie, dass er ihr vorliest, und das kann dauern. Er liest nicht besonders gut, denn er hat es erst vor kurzem gelernt. Langsam quält er sich durch einfache Kinderbücher, aber ihr gefällt es, seine Stimme zu hören, sagt sie. Und es ist eine gute Übung. Seine Mutter liegt fast immer im Bett, sie steht nur wenige Stunden am Tag auf. An guten Tagen länger, an schlechten Tagen kürzer. Heute scheint ein ziemlich guter Tag zu sein. Sie sieht gesund aus in ihrem Nachthemd und klopft auffordernd auf den Platz neben sich im Bett. Gehorsam geht er zu ihr und setzt sich. Er ist ein sehr braves Kind. Gehorsam und gut erzogen. In der Schule läuft es gut, die Lehrerinnen mögen ihn. Er lernt gerne, und es fällt ihm leicht. Er ist intelligent. Das sagen sowohl seine Mutter als auch seine Lehrerin. Es kann sein, dass er schon im Frühjahr mit dem Mathestoff
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