Die Frauen von Bramble House
und erst jetzt wurde ihm wirklich bewußt, daß er – wie Brooker gesagt hatte – wirklich ein Idiot gewesen war. Nie hätte er irgendwelche Belege aufbewahren dürfen. Und ja, es war ein schönes Gefühl gewesen, sich hin und wieder vor Augen zu führen, wie clever er war. Irgend etwas in ihm hungerte verzweifelt nach Anerkennung, und der einzige Weg, dieses Verlangen zu stillen, war nun einmal der, daß er jede Woche zusammenrechnete, um wieviel er die Firma begaunert hatte, und darüber hatte er vergessen, daß die Firma ja dieses alte Weib war. Wenn er schlau gewesen wäre, hätte er seine Geschäftsunterlagen im Bungalow aufbewahrt. Aber Rosie war keineswegs ein solch schlichtes Gemüt, wie sie sich gerne gab: Sie war neugierig und ging den Dingen nur zu gern auf den Grund. Er mußte sie stets sorgsam im Auge behalten. Aber, Himmel! Was alles hatte er verloren durch diesen einen kleinen Ausrutscher in die Dummheit: Dieses prächtige Zimmer hier, das Haus hier und – Himmel, ja! – die Firma. Oh, ja. Sie hatte so etwas angedeutet. Seit einiger Zeit schon hatte sie kokette Andeutungen gemacht und immer wieder gesagt, sie alle würden eine ziemliche Überraschung erleben, wenn sie sterben sollte, aber sie hatte dabei durchblicken lassen, daß diese Überraschung für ihn persönlich eine angenehme sein werde. Eine sehr angenehme …? Dann brach er aus seiner Träumerei aus, setzte die Koffer ab, öffnete leise die Tür, nahm die Koffer wieder auf und schlich sich so geräuschlos wie möglich aus dem Haus. Aber nachdem er das Gepäck im Kofferraum verstaut hatte, wandte er sich noch einmal um und blickte zum Haus zurück, zu dem Fenster, hinter dem seine Tochter war. Und es war, als hätte er laut gebrüllt, denn er konnte die Stimme in seinem Kopf hören: Heiraten? Wicht, wenn ich was zu sagen habe! Und wenn es das letzte ist, was ich mache, ich werde es verhindern. Beim Himmel, das werde ich …?
5. Kapitel
Mrs. Funnell hatte einen leichten Schlaganfall erlitten. Der linke Arm war betroffen, und auch der Mund stand etwas schief, doch sie konnte nach wie vor sprechen. Und das tat sie denn auch ausgiebig: zwischen giftigem Geschimpfe und kläglichem Flehen. Das Gift galt ihrem einst so heißgeliebten Goldjungen, und es verging kein Tag, an dem sie nicht begierig fragte, ob die Polizei ihn endlich geschnappt hätte.
Das Flehen war vorwiegend an Peggy gerichtet. Peggy würde sie doch nicht im Stich lassen, nicht wahr? Aber ja, sie wußte genau über sie und Charlie Bescheid, und sie würde auch nichts dagegen haben, wenn Charlie ins Haus ziehen würde … sobald die Scheidung durch war, natürlich. Nein, ihre Enkelin Lizzie und Henry wollte sie nicht im Haus haben. Lizzie war so grausam, sie hatte überhaupt kein Verständnis. Und sie würde ihren ganzen Besitz Peggy vermachen, wenn sie nur bei ihr bleiben wollte … bis zum Ende, und wie sie sehen könne, sei es nicht mehr lange bis dahin.
Die Demutshaltung war plötzlich gekommen, nachdem Peggy erklärt hatte, sobald ihre Scheidung von Andrew erledigt sei, wolle sie ihr eigenes Leben führen, sie habe die Nase voll bis zum Überdruß von diesem Haus hier und allem, was damit zusammenhänge. Das hatte sie mit ganz leiser Stimme zu ihrer Mutter gesagt, im Zimmer der Alten, und sie hatte geglaubt, daß sie schlafe. Aber obwohl Mrs. Funnell fast den ganzen Tag über mit geschlossenen Lidern dalag, wußte doch nur sie allein, daß sie kaum je schlief und daß ihr Verstand so klar und gut funktionierte wie immer.
Das neue Jahr war nicht mehr jung, ja, es war bereits der 1. März, und im Salon fand die wichtige Unterredung statt. Anwesend waren Lizzie und Henry, Peggy und Emma, Charlie und May. Alle tranken Tee, außer Peggy, die neben dem Couchtisch saß, sich an der Teekanne festhielt, während ihre Mutter sagte: »Man hätte ihm sofort die Polizei auf den Hals hetzen müssen. Er gehört hinter Gitter.«
»Nun, wir haben uns dagegen entschieden, weil wir dachten, es wäre schlecht für die Firma. Möglicherweise wären ja viele von den Leuten, die er übers Ohr gehauen hat oder auch nicht, angekommen und hätten Schadenersatzansprüche gestellt.« Henry wandte sich nun zu Peggy: »Denkst du, er ist wirklich ins Ausland gegangen?«
Peggy goß langsam eine weitere Tasse Tee ein, ehe sie antwortete: »Das sagt jedenfalls Rosie Milburn. Der Anwalt sagt, Andrew hat sie dazu überredet, den Bungalow zu verkaufen, der lief auf ihren Namen, aber dann hat er ihr
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