Die Frauen von Bramble House
nicht einen Penny von dem Geld gegeben.«
»Und das geschieht ihr verdammt recht!«
Peggy warf ihrer Mutter einen Blick zu, ehe sie fortfuhr: »Und es gibt kaum die Möglichkeit, ihn zur Rückerstattung zu zwingen. Außerdem hat er die zwei Bankkonten aufgelöst. Und von selber, sagte der Anwalt, würde er bestimmt nie etwas zurückgeben, man würde ihn vor Gericht bringen müssen, und wir müßten den Fall gewinnen, um irgendwelche Aussichten auf Rückerstattung zu haben.«
»Glaubst du im Ernst, er würde sich ins Ausland absetzen, ohne den Versuch zu machen, Emma zu sehen?«
Peggy blickte durch den Raum zu Charlie, und es dauerte ein paar Sekunden, ehe sie antwortete: »Nein, das glaube ich eigentlich nicht; aber Rosie Milburn gegenüber hat er das immerhin angedeutet und gesagt, er und sie würden beide abhauen. Aber andererseits hat sie dem Anwalt gesagt, er ist einfach verschwunden und hat seine Koffer und alles, was ihm sonst noch gehörte, mitgenommen. Sie war von der Arbeit zurückgekommen, in die Mietwohnung, in der sie lebten, und da war er fort. Er hat sie mit nichts sitzen lassen, und natürlich ist sie verbittert.«
Wieder war es Lizzie, die höhnisch lachend rief: »Verbittert? Sie kriegt doch bloß, was sie verdient. Ein Jammer, daß sie so gut arbeiten kann.«
Peggy betrachtete ihre Mutter, und wieder einmal schoß ihr der Gedanke durch den Kopf, daß ein Teil von der Urgroßmutter immer weiter existieren würde, solange ihre Mutter lebte.
Sie selbst hätte Grund gehabt, Rosie Milburn gegenüber Haß zu empfinden, aber das war nicht so; irgendwie tat sie ihr sogar leid: Sie dachte immer wieder daran, wie freundlich und hilfsbereit sie damals gewesen war. Außerdem, schuldete sie ihr nicht eigentlich großen Dank? Denn hatte Rosie sie nicht von dem allnächtlichen Ringkampf und Gezerre erlöst, die dann stets in völliger Erschöpfung geendet hatten?
Emma hatte die ganze Zeit hindurch mit leicht gesenktem Kopf dagesessen und in die Teetasse gestarrt, die sie mit beiden Händen auf dem Knie balancierte. War ihr Vater nach Australien gegangen? Ach, die hoffte es so sehr; dann würde sie endlich von dieser schrecklichen Bedrohung befreit sein.
Seit drei Tagen war sie nicht mehr zur Schule gegangen. Denn ihre Mutter hätte sie nicht nur im Wagen hinbringen müssen, sie hätte dort auch auf sie warten müssen wie auf ein Baby, das man aus dem Kindergarten holt. Doch die Schulabsenz bedeutete kaum eine wirkliche Beruhigung für Emma, denn sie fühlte sich eigentlich auf der Straße vor dem Haus viel mehr in Gefahr als irgendwo sonst. Sie hatte Angst davor, daß auf einmal ein Wagen an sie heranschleichen und ihr Vater herausstürzen und sie packen könnte. Mutter konnte nicht die ganze Zeit bei ihr sein.
Zweimal hatte sie ihn bisher gesehen, am Tor an der Zufahrt zum Haus, und sie war hastig wieder ins Haus zurückgeflohen; und noch einmal, als sie mit ihrer Mutter über den Markt ging. Peggy war an einem Stand stehengeblieben, an dem aller möglicher Trödel feilgeboten würde, und Emma hatte sich zwanghaft umgewendet, wie von einer unsichtbaren Macht gezogen, und da war er auf dem Pflaster, direkt am nächsten Stand. Und sie hatte ihre Mutter am Arm gepackt und geflüstert: »Dreh dich nicht um, da hinten ist er! «
Und natürlich hatte Peggy sich umgewandt und hatte die Augen schweifen lassen und dann gesagt: »Das mußt du geträumt haben, da ist keiner.«
»Aber er war da, sage ich dir. Bestimmt.«
In der folgenden Nacht hatte sie sich gefragt, wieso sie eigentlich derartig heftige Angst hatte, er war doch schließlich ihr Vater. Und die Antwort, die sie sich gab, traf sie wie ein Peitschenhieb: Sei nicht blöd, so eine dumme Frage zu stellen!
Bis zu jenem abendlichen Zwischenfall auf der Couch hatte sie sich eigentlich nie ernstlich vor ihm gefürchtet; ihre Empfindungen waren eher von einem leisen Widerwillen geprägt gewesen, wenn er sie so an sich preßte und sie streichelte und knuddelte, als wäre sie noch ein Kind. Doch an jenem Abend erkannte sie, daß er in ihr keineswegs ein Kind sah, und heute bezweifelte sie, ob er das je getan hatte.
Sie war sich bewußt, daß sie es immer abgelehnt hatte, über solche Fälle in der Zeitung zu lesen; und erst vor ein paar Monaten hatte sie eine Fernsehdokumentation über dieses Thema abgeschaltet, weil sie sich gegen die Erkenntnis sträubte, auch sie selbst könnte in etwas so Ekliges verwickelt sein. Doch jetzt war sie völlig darüber im
Weitere Kostenlose Bücher