Die Frauen von Bramble House
saßen an einem kleinen Tisch in einer Ecke des großen Speisesaales, und es verschlug ihnen vor Ehrfurcht beinahe die Sprache. Der Raum war hell erleuchtet von Kristallkronleuchtern. Die Gläser, Gedecke und Tischdecken schienen das Licht zu reflektieren und über die am Tisch Sitzenden zu gießen. Es war nur die Hälfte der Tische besetzt: Die Männer trugen Smokings, die ähnlich aussahen wie die der Bedienung, mit Ausnahme des Mannes, der an den geöffneten Glastüren stand; er trug einen Frack. Die Frauen waren ausnahmslos in Abendroben erschienen, doch sie sahen alle ziemlich alt aus, manche über fünfzig und noch mehr.
Der Tischkellner, der ihnen zuerst die Suppe und dann den Fisch serviert hatte, trat wieder an ihren Tisch, diesmal in Begleitung eines zweiten Mannes, der zwei Teller trug, auf denen jeweils eine halbe Ente lag. Der Oberkellner hatte eine Flasche in der Hand und goß perlenden Wein in die Gläser. Dann verbeugte er sich zweimal vor ihnen, stellte den Champagner beiseite und sagte: »Mit den Empfehlungen des Hauses.«
»Oh, vielen Dank …« Sie sprachen beide gleichzeitig, und dann lächelten sie die beiden Kellner abwechselnd an und sagten noch einmal: »Oh, danke.«
»Wir hoffen, es schmeckt Ihnen, Madam … und Sir. «
Dann waren Peggy und Andrew wieder allein.
Sie hatte irgendwie das Gefühl, sie müsse ihr Glas heben und mit ihm anstoßen, ehe sie trinken durfte, aber er setzte sein Glas einfach an die Lippen und lächelte sie dabei an, und so kostete sie zum ersten Mal, wie Champagner schmeckt. Als ihr die Gasperlen in die Nase stiegen, mußte sie den Kopf abwenden und das Niesen unterdrücken, und darüber mußten sie beide leise lachen, und dies, mehr als das Getränk selbst, nahm ihnen etwas von ihrer Verlegenheit. Er beugte sich ein wenig vor und flüsterte ihr zu: »Denkst du, wir werden das schaffen?« Er wies auf die Ente.
»Ich befürchte, es kommt noch mehr«, flüsterte sie, da sie aus den Augenwinkeln den Kellner erneut nahen sah, der auf einem Tablett Schüsseln mit Gemüse brachte.
»Eins ist mal sicher«, sagte er, immer noch mit Flüsterstimme, »wenn wir hier rausgehen, sind wir um Pfunde schwerer als vorher …«
Etwa eine Stunde später hatten sie ihr Mahl beendet und tranken ihren Kaffee in der Lounge. Wieder hatten sie sich in eine Ecke gesetzt, und es sprach niemand mit ihnen. Manche Leute lächelten im Vorübergehen, andere nahmen sie mit einem leichten Kopfnicken zur Kenntnis.
»Eins muß ich deinem Vater ja lassen«, sagte Peggy und lehnte sich in den Plüsch ihres Sessels zurück, »er hat einen guten Geschmack.«
Sie lächelte Andrew dabei herzlich an. Sie fühlte sich verändert, war glücklich. Vielleicht macht das der Wein, dachte sie, ich habe drei Gläser davon getrunken. Na warte, wenn ich das denen daheim erzähle! Das einzige Alkoholische, was es dort je zu trinken gab, war ein Gläschen Sherry und den auch nur zu besonderen Anlässen.
Nach einer Weile wurde ihr ganz warm, und sie sagte fröhlich: »Gehen wir ein bißchen an die Luft?«
Und er antwortete ebenso fröhlich: »Warum nicht? Wir können tun und lassen, was wir wollen. Eine ganze Woche lang können wir tun, wozu wir Lust haben.«
Ja, er hatte recht: Eine ganze Woche lang konnte sie tun, wozu sie Lust hatten.
Sie hatte sich im Badezimmer ausgezogen und war bereit, zu Bett zu gehen. Sie war jetzt nicht mehr so fröhlich und ausgelassen wie noch vor zwei Stunden, als sie losgezogen waren, um sich den Ort anzusehen.
Ihr Nachthemd war am Hals gerade geschnitten und ärmellos, aber sie hatte einen dazu passenden Mantel, ein Negligé, hatte die Verkäuferin den genannt. Die Urgroßmutter hatte es ausgesucht und auch bezahlt.
Sie mußte erst einmal mehrfach tief Luft holen, ehe sie es über sich brachte, aus dem Badezimmer ins Schlafzimmer zu treten. Und dort stand er vor der Frisierkommode und bürstete sich die Haare. Er trug einen Schlafanzug, und er wirkte darin größer als sonst. Und als er sich zu ihr umwandte, sah sie wieder den Mann in ihm. Sie trat ans Bett und setzte sich auf die Kante. Die Matratze wippte unter ihrem leichten Gewicht.
Er setzte sich neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter. »Es … wird schon alles klappen.«
»Andrew?«
Ihr Gesicht war dem seinen ganz nahe.
»Ja?«
Sie schluckte und schloß die Augen. Dann blickte sie ihm wieder direkt ins Gesicht. »Mach heut nacht nichts. Bitte, ja, du machst nichts?«
Er wich unmerklich von ihr
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