Die Frauen von Bramble House
Peggy. »Es gibt nur eine Möglichkeit, es uns beiden rechtzumachen: Du mußt eben zwei haben. Kapiert?«
»Ach, Tante May, sei bloß still!«
»Nun, man kann nie wissen. Himmel, manche bekommen drei, vier oder gar fünf Kinder! Als Charlie kam, da hab ich gedacht, ich werde wahnsinnig mit den beiden, und dabei war die eine schon sechs.«
Lizzie betrachtete ihre Tochter und ihre Freundin. Wie sie zusammen lachen! Sie sind sich so nahe, fast als wären sie Mutter und Tochter. Sie fühlte sich ausgeschlossen, von allem und jeder Beziehung. Aber das sollte sie doch gar nicht, sie sollte sich vielmehr blendend fühlen, jetzt, wo Henry ihr gehörte. Und dennoch, je öfter sie Henry traf, je heftiger sie einander liebten, desto größer wurde ihre Angst. Wenn jemand sie sehen sollte? Was würde dann sein? Wenn die Sache herauskam? Die Vorstellung, ihre Großmutter oder auch bloß ihre Mutter könnten davon erfahren … undenkbar! Oder Len? Ja, wie war das eigentlich mit Len? Sie hatte sich nie vorstellen können, daß sie Len gegenüber je so etwas wie Schuldgefühle empfinden könnte, und doch war es so, denn sie hatte eines begriffen: sie war nicht für Liaisons geschaffen. In ihrer Familie hatte es nie öffentliche Skandale gegeben; Skandale leisteten sich nur andere … eben »solche Personen«, die man zu ignorieren und sogar zu schneiden hatte! Aber Len, der war ein Mann, den sie verachten gelernt hatte, ein Mann, der ihr keine wirkliche Liebe schenkte; Leidenschaft, das ja, sogar Lustgefühle. Und auch dagegen mußte sie ankämpfen. Sie dachte daran, wie oft sie ihm am Frühstückstisch gegenübergesessen und zugehört hatte, wie er in seiner großspurigen Art auf ihre Mutter und Peggy eingeredet hatte, während sie sich überlegte, ob die beiden auch nur eine Ahnung davon hatten, was in der Nacht davor oder sogar noch am Morgen geschehen war …
»Hör mal, dein Tee wird kalt. Du siehst aus, als wärst du meilenweit weg. Übrigens«, May beugte sich zu ihr herüber, »gibt’s einen neuen Tratsch. Du kennst doch die Robinsons, drei Häuser weiter unten? Er ist bei der Gemeindeverwaltung, sie Chefsekretärin in dieser neuen Fabrik an der Pringle Road. Also, die trennt sich von ihm, von ihrem Mann, meine ich, aber alle Leute sagen, es müßte eher umgekehrt sein. Er ist ausgezogen und lebt jetzt bei seiner Schwester in Gateshead, und das Haus hier steht zum Verkauf. Gestern haben sie das Schild aufgestellt. Was sich in der Bramble Lane so alles tut. Gott-im-Himmel! Du brauchst gar keine Neuigkeiten aus aller Welt mehr zu lesen!«
Lizzie war ein wenig übel. Sie ließ den Kopf zurücksinken, bis er den Stamm berührte, und dann hörte sie Peggy fragen: »Fehlt dir was, Mam?« Sie setzte sich straff auf und zupfte fächelnd an ihrer Bluse. »Es ist nur diese Hitze!« Dann stand sie auf. »Ich hol mir die Wolle später, May.«
»Jaja, schon gut«, sagte May ausdruckslos.
Auch Peggy war aufgestanden. »Ich muß auch wieder rüber. Ich muß mir noch was fürs Essen einfallen lassen … wahrscheinlich wieder Salat.« Sie lächelte May zu. Dann trat sie an die Seite ihrer Mutter, und sie gingen gemeinsam durch den Gemüsegarten und hinüber in ihr Wäldchen. Dort faßte sie Lizzie sanft am Arm und brachte sie zum Stehen. »Ist mit dir alles in Ordnung, Mam?«
»Ja. Alles in Ordnung.«
»Machst du dir wegen irgendwas Sorgen? Ich meine, was anderes als meinetwegen?«
Lizzie lächelte und fuhr Peggy streichelnd über die Wange. »Seltsam, aber um dich mache ich mir derzeit gar keine Sorgen.«
»Da bin ich aber froh, Mam. Ist es wegen Vater?«
»Seltsam auch hier, nein, es ist nicht er. Der war noch nie so still und sanft. Aber andererseits, das paßt eigentlich gar nicht zu ihm, was?«
»Nein. Ich hab ihn schon seit Wochen nicht mehr brüllen hören.«
»Ja, stimmt. Irgendwie scheint er auch seine ganze Aufgeblasenheit verloren zu haben. Ich kann dir gar nicht sagen, was mich mehr beunruhigt, dieser neue Zug an ihm oder der alte. Aber, Liebes, mach du dir mal keine Sorgen. Wie fühlst du dich denn so? Ich meine, körperlich?«
»Prima, Mam. Ein angenehmes Gefühl da drinnen.« Sie legte sich die Hand auf den Bauch. »Aber manchmal hab ich doch ein ganz kleines bißchen Angst.«
»Bist … bist du glücklich?«
Peggy ließ den Kopf sinken und schwieg lange, ehe sie diese einfache, aber sehr direkte Frage beantwortete. »Ich … weiß nicht, wie es ist, wenn man wirklich glücklich ist. Die Urgroßmutter sagt,
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