Die Frauen von Bramble House
ungehörig wäre und es mich meine Approbation kosten könnte.«
Emma sagte nichts darauf, aber sie griff unwillkürlich nach dem Schal um ihren Hals und zog ihn fester, als könnte sie so das Pochen unterdrücken, das in ihrer Brust aufstieg und ihr die Kehle zuschnüren wollte.
»Ich bin sechsundzwanzig, Emma, und Sie werden nächsten Monat erst sechzehn, ich bin also zehn Jahre älter als Sie. Das ist schon mal ein Hindernis. Das zweite Problem ist, ich bin erst am Anfang meiner beruflichen Laufbahn. Ich hatte nicht geplant, so früh zu heiraten, als ich in diese Stadt kam. Ja, eigentlich hatte ich nur vor, ein paar Jahre hierzubleiben und dann woanders hinzugehen, aber … aber dann bin ich Ihnen begegnet, und ich habe vom ersten Augenblick an gewußt, was auf mich zukam, was mit mir passiert war. Und es ist immer stärker geworden in den ganzen Monaten, in denen wir uns scheinbar so zufällig hier getroffen haben. Nun, Emma, ich bin mir über mich im klaren, aber Sie sind noch so jung und können das nicht.«
»O doch, das kann ich.« Sie hatte sich zum ihm gewandt, und beide sahen sich nun in die Augen. Die ersten Worte waren ihr unwillkürlich über die Lippen gekommen, doch als sie dann weitersprach, klang ihre Stimme emotionsgeladen, aber bestimmt. »Auch ich habe es vom ersten Augenblick an gewußt. Ich bin noch nicht sechzehn, gut, aber das ist nur den Jahren nach so … in Wirklichkeit bin ich achtzehn, zwanzig. Mir kommt’s so vor, als wäre ich nie wirklich jung gewesen, als hätte ich nie eine Chance dazu gehabt. Immer war ich an ältere Menschen gebunden, an meinen Vater … wie gefesselt an ihn. Meine Mutter wurde verheiratet, als sie sechzehn Jahre alt war.«
Er griff nun nach ihren Händen und sagte behutsam: »Ja, aber alles in allem hat sie dafür bitter bezahlt seitdem, in dieser Ehe mit einem Mann wie Ihrem Vater.«
»Aber Sie sind doch nicht wie mein Vater. Sie … Sie sind wie keiner, dem ich je begegnet bin … dem ich je zu begegnen gehofft hätte.«
»Oh, Emma, liebe, liebe Emma. Ich möchte dich in die Arme nehmen und dich küssen und …« Er sah, daß Leute näher kamen, ließ ihre Hände los und sagte mit einem Lachen: »Es fehlte grad noch, daß jemand sieht, wie ich das in der Öffentlichkeit mache, auch wenn ich bloß deine Hände halte, und der Teufel wäre los. Aber, Emma, jetzt hör mir bitte genau zu. Ich muß dich etwas fragen: Wenn du siebzehn bist, willst du mich dann heiraten?«
Emma schloß die Augen, konnte aber nicht sofort antworten, weil da dieser pulsierende Kloß in ihrer Kehle steckte. Dann erwiderte sie tonlos: »Ich würde dich am liebsten morgen heiraten.«
»Und ich dich, liebste, liebste Emma, ich dich auch. Aber das ist unmöglich. Wie würde mich deine Mutter wohl empfangen, wenn ich jetzt zu ihr käme? Ich würde nie zu deinem Vater gehen, aber ich bin sicher, auch deine Mutter wäre entsetzt. Also, machen wir folgendes ab, ja? Wir halten es geheim bis zum Jahresanfang, und dann, wenn du deine Meinung nicht geändert hast« – er neigte sich näher zu ihr, und auf seinem Gesicht lag ein weiches Lächeln –, »werde ich deine Mutter um ihr Einverständnis mit unserer Verlobung bitten, und kurz vor deinem siebzehnten Geburtstag, oder kurz danach, heiraten wir dann.«
Emmas Augen waren weit und schimmerten feucht. Sie sah ihn nur stumm an. Und er sagte: »Du bist sehr schön, weißt du das? Und du wirst mit den Jahren noch schöner werden.«
»Ich liebe dich, Richard, ich liebe dich. Das ist das erste Mal, daß ich dich mit deinem Vornamen angesprochen habe, weißt du? Aber du hast mich immer Emma genannt.«
»Also, von jetzt an nennst du mich nicht Richard, sondern Ricky wie alle meine Freunde.«
Sie lächelte weich. »Das gefällt mir … Ricky … es paßt zu dir.«
Richard Langton betrachtete dieses junge Mädchen, das da vor ihm stand. Er hatte nie wirklich begreifen können, daß sie erst fünfzehn sein sollte. Von Anfang an hatte sie nie so gewirkt, als wäre sie fünfzehn. Ja, es stimmt, sie konnte gut und gern schon zwanzig sein. Und er wußte, was Dr. Rice zu ihm sagen würde, wenn er es ihm berichtete: Sie müssen den Verstand verloren haben? Und wahrscheinlich würde er in seiner taktvollen Art hinzufügen: Wenn es Sie dermaßen juckt, leben Sie doch mit jemand zusammen. Es gibt massenhaft Möglichkeiten. Die Weiber umschwärmen Sie doch in Scharen, seit Sie hergekommen sind …? Und das war so. Es hätte ihm in den letzten Monaten
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