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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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leicht gegen die Tür gedrückt hätte, der Riegel wäre sofort aufgegangen. Bei der Vorstellung, dass man sie so einfach hätte finden können, dass es genügt hätte, die Tür aufzudrücken, zitterte Lola erneut. Sie musste sich an der Tür festhalten, den Kleiderstangen, sich auf dem Weg in das Hinterzimmer, wo ein Stuhl stand, abstützen. Zwei Mal wäre sie fast gestolpert. Die Beine versagten ihr den Dienst. Sie musste da raus. Sie musste jemanden anrufen, irgendjemanden.
    Das ging nicht. Diese Kerle hatten ihre Handtasche und ihr Handy. Und im Laden war kein Telefon.
    Sie musste raus auf die Straße, irgendjemanden anhalten.
    Die Tür ließ sich nicht öffnen. Lola hatte sie zweifach verriegelt. Und die Schlüssel waren in ihrer Tasche.
    Sie versuchte, gegen die Tür zu schlagen, irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Doch sie zitterte immer noch so sehr, es blieb bei einem kläglichen Versuch.
    Sie versuchte, die Schilder vom Fenster zu lösen, all die Schilder, auf denen »Danke« stand. Sie hatte selbst geholfen, sie dort anzukleben. Es gelang ihr nicht, auch nur ein einziges abzureißen. Ihre Hände gehorchten nicht.
    Draußen, auf der Straße, war es vollkommen ruhig. Keine Autos, keine Menschen. Es war Weihnachten. Alle waren zu Hause.
    Sie musste es über die Hintertür versuchen. Lola ging hinaus in den winzigen Hinterhof. Dort herrschten mindestens vierzig Grad, die weißen Wände reflektierten die Hitze sogar noch. Hinter Lola schlug die Tür zu. Lola versuchte es am Tor. Es ließ sich nicht bewegen. Irgendetwas war blockiert worden, als diese Kerle das Tor aufgebrochen und zugeschlagen hatten, und Lolas Kraft reichte nicht, das zu beheben.
    Ruhig, Lola, ganz ruhig. Geh wieder in den Laden und denk nach. Hör auf zu zittern und denk nach.
    Sie zog an der Hintertür. Ein zweites Mal. Die Tür klemmte. Nein, bitte nicht. Sie versuchte es immer wieder. Der Türknauf war so klein, Lolas Hände waren so verschwitzt, sie bekam ihn kaum zu fassen. Lola nahm den Hut ab, diesen albernen Weihnachtshut, und versuchte es damit. Er rutschte gleich vom Knauf. Lola trat mit ihrer zierlichen Sandale gegen die Tür. Nichts. Nur die Zehen taten weh.
    Sie war auf dem Hof gefangen. Ohne Schatten.
    »Hilfe!«, rief sie. »Hallo, ist da jemand? Hilfe!«
    Doch wer sollte sie hören? Die Läden ringsum hatten über die Feiertage geschlossen.
    »Hilfe! Bitte! Hört mich jemand?«
    Wer sollte darauf reagieren? Es war niemand auf der Straße.
    »Bitte! Hallo! Hilfe!«
    Es war nichts zu hören, nur die Grillen zirpten ihr ewiges Lied.

Kapitel 19
    Moonee Ponds, Melbourne
    Das Lärmen im Wohnzimmer war ohrenbetäubend. Vier Kinder spielten Fangen und sausten zwischen Esstisch und Sofa hindurch, hinaus in den Garten und auf die Terrasse, wobei sie dem Tisch mit den Getränken jedes Mal bedrohlich nahe kamen. In der Küche herrschte fröhliches Gelächter, dort richteten die Frauen bei einer Flasche Prosecco die Salate an. Zu ihren Füßen bewarfen sich zwei Kleinkinder mit Legosteinen. Draußen in der Grillecke waren drei Männer eifrig mit mariniertem Fisch und Geflügel beschäftigt.
    In einer ruhigen Ecke des Wohnzimmers, in einem gemütlichen Sessel, saß ein älterer Mann, die Augen geschlossen, vom Lärm und Chaos unbeeindruckt. Er hatte seinen iPod eingesteckt. Ein beruhigendes Stück von Bach übertönte wunderbar all das Gekreische, Gerufe, Getrappel und Türeschlagen, das Hin und Her, Hinein und Hinaus der zwanzig Mitglieder seiner Familie. Nur gegen die weihnachtliche Hitze, die ins Haus kam, konnte die Musik nichts ausrichten.
    Eine Viertelstunde zuvor hatte seine Tochter gefragt, ob er etwas wolle: ein Glas Wein, ein Bier, ein Mineralwasser?
    »Gern ein Glas Wasser, danke, Cara .«
    Sie war wieder in die offene Küche gegangen, hatte sich durch eine Unterhaltung mit ihrer Schwester und ihren Schwägerinnen ablenken lassen und ihren Vater, so ging ihr nun auf, ganz vergessen. Kein Wunder. Sie hetzte schon den ganzen Tag herum. Eigentlich die ganze Woche. Es war eine Herausforderung, das Weihnachtsessen nicht nur für die eigene Familie und ihren Vater vorzubereiten, sondern auch die große Familie ihres Mannes. Sie hatte sich lange Listen machen müssen und trotzdem ständig mit sich selbst geredet. Ihr Vater würde sich sein Wasser selbst holen. Sie verwöhnten ihn genug.
    »Ihr verhätschelt mich ja regelrecht«, hatte er eben erst gesagt, als sie ihn in seinen Lieblingssessel gesetzt und ihm seinen geliebten Il

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