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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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sich nur lange genug bedeckt hielt, ließen die anderen ihn irgendwann in Ruhe. Rick und auch seine Mutter. Sie hatte es morgens bereits auf seinem Handy versucht. Solche Anrufe überließ er der Mobilbox. Konnte schon sein, dass er seinen Mitbewohner, seine Mutter, alle, die ihn kannten, nervte. Tja, Pech. Außerdem wurden sie ja bald von seiner nervenden Gegenwart erlöst.
    Er drehte den Lautsprecher an seinem Computer auf, um Rick zu übertönen, der absichtlich laut vor der Tür ins Telefon sprach. »Er ist da, Mrs Harris, aber er reagiert nicht. Es tut mir leid.« Vielleicht sollte er seiner Mutter eine E-Mail schicken und sie sich so vom Hals halten, ehe sie noch auf die Idee kam, die drei Stunden von Wilcannia aus zu ihm zu fahren. Er hörte ihre Stimme sowieso in seinem Kopf. Er musste seine Mutter nicht auch noch sehen. Er wusste, was sie sagen würde. Sie hatte es unentwegt gesagt, als er letztes Mal den Fehler gemacht hatte, ans Telefon zu gehen. »Es ist bald Weihnachten, Neil. Bitte komm nach Hause. Eine Familie sollte Weihnachten zusammen sein.«
    »Warum?«, hatte er gefragt. »Was ist an Weihnachten denn so anders als an anderen Tagen?«
    Darauf hatte sie keine Antwort gewusst. Er hatte sich dann verabschiedet, angeblich war jemand an der Tür. Was gut möglich gewesen wäre. Ein Lieferservice beispielsweise. Neil aß dieser Tage nicht sehr viel, und was er aß, kam in Plastikbehältern, via Internet. Er lebte fast sein ganzes Leben online. Wozu das Haus verlassen, wenn man alles von seinem Zimmer aus erledigen konnte? Auf diese Weise hatte er über alles die Kontrolle. Er entschied, mit wem er sprach und mit wem nicht. Wenn ihm das, was er las oder hörte, nicht passte, ging er einfach auf eine andere Seite, einen anderen Blog oder klickte gleich auf »Löschen«. Es war … ja, was? Besser? Nein, sicherer . Er hatte es mit dem Leben da draußen versucht, es versucht und nicht gemocht. Hier drinnen war es einfacher.
    Er hatte sich nicht ganz von allem abgeschnitten. Im Gegenteil. Durch die viele Zeit vor seinem Rechner wusste er besser Bescheid, was da draußen und vor allem in der Musikszene vor sich ging, als jemals in der »wahren« Welt. Er sprach sogar mit Menschen, mit seinen »Fast-schon-Freunden«, wie er sie nannte, die er aus Chatrooms und durch Blogs kannte. Nicht jedoch in letzter Zeit. Sie hatten zu viele Fragen gestellt. Wenn ihm nach einem Kreuzverhör wäre, könnte er seine Mutter anrufen oder sein Zimmer verlassen und zu seinem Mitbewohner gehen. Aber ihm war nicht nach einem Kreuzverhör. Ihm war nach gar nichts mehr.
    Sein Leben war mal richtig gut gewesen. Er hatte immer Jobs gehabt, zuletzt als Polsterer, ein bisschen Sport gemacht und getan, was die meisten Achtundzwanzigjährigen in Broken Hill so taten, an manchen Abenden zu viel getrunken, hin und wieder etwas Gras geraucht, nichts Dramatisches. Er hatte sogar eine Freundin gehabt. Bis dann, Stück für Stück, alles weggebrochen war. Zuerst hatte er den Job verloren. Aus heiterem Himmel. Sein Chef hatte ihn mit ernster Miene aus der Werkstatt zu sich gerufen. »Es liegt nicht an dir, Neil. Du weißt, ich finde dich in deinem Job verdammt gut. Es ist nur, die Aufträge lassen nach, und da heißt es, wer zuletzt kommt, geht zuerst.« Ähnliches hatte er in den folgenden Wochen, als er sich um einen neuen Job beworben hatte, immer wieder hören müssen: »Tut mir leid, Mann, aber die Aufträge bleiben aus. Wir melden uns, wenn sich was tut.« Auch falls sich irgendetwas getan hatte, bei ihm hatte sich niemand gemeldet.
    Einen Monat nach dem Rausschmiss hatte er allein zu Hause was getrunken, dann war das Bier irgendwann alle, er war ins Auto gestiegen, zum Kiosk gefahren und hatte einen Unfall gebaut. Nichts Schlimmes. Er hatte bloß einen Baum gestreift. Außer ihm selbst war niemand verletzt worden. Er aber hatte sich das Knie übel gezerrt, weil er mit so viel Wucht auf die Bremse getreten hatte. Wenigstens war es ihm gelungen, den Wagen neu zu starten und heil nach Hause zu fahren, bevor noch die Bullen anrückten und er ins Röhrchen pusten musste. Endlich mal ein bisschen Glück. Aber seitdem hatte das Auto Macken, und eine Reparatur war im Moment nicht drin. Das Knie tat auch noch weh, doch einen Arzt konnte er sich ebenso wenig leisten. Und so hatte er das mit dem Football auch sein lassen.
    Dann hatte seine Freundin ihm den Laufpass gegeben. Sie hatte fast die gleichen Worte wie sein Chef gebraucht: »Es liegt nicht

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