Die Frauen von Clare Valley
tun.«
Geraldine richtete sich auf. »Ich bin dir für deine Hilfe immer dankbar gewesen, Lola. Aber ich bin ihre Mutter. Ich . Nicht du.«
»Ach, das fällt dir auf einmal ein?«
»Oh, nein!«
Lola wich einen Schritt zurück, so schockiert war sie über Geraldines plötzlichen Ausbruch.
»So etwas hör ich mir nicht an, Lola. Ich muss mir von dir nicht vorhalten lassen, wie ich meine Töchter großgezogen habe. Glaubst du etwa, ich hätte all das nie bemerkt? Nie bemerkt, wie du mich im Stillen für meinen Umgang mit den Mädchen kritisiert hast? Ich konnte immer nur die Mutter sein, die ich nun mal bin. Ich bin nicht du, Lola, eine unerschöpfliche Quelle von Spiel und Spaß. Aber wie kannst du es wagen, auch nur eine Sekunde lang daran zu zweifeln, dass ich meine Töchter geliebt, nur das Beste für sie gewollt habe!«
»Geraldine …«
»Nein, jetzt hörst du mir zu. Hatte ich denn jemals eine Chance gegen dich? Du hast doch alles getan, um sie mir wegzunehmen, oder? Alles, damit sie dich mehr lieben als mich! Und vielleicht ist es dir sogar gelungen, zumindest bei Bett. Na, bist du nun zufrieden? Eine von dreien? Aber ich liebe meine Bett, Lola. Und ich liebe Carrie mit all ihren Fehlern. Und ich habe Anna geliebt. Ich habe meine Anna geliebt, mein Baby, mein erstes Mädchen, mehr, als du ermessen kannst. Und so soll es auch bleiben, weil es meine Geschichte ist, verstehst du? Meine Erinnerungen, meine Geschichte mit meiner Tochter. Und deshalb gehen wir hier fort. Denn je länger ich hierbleibe, in deiner Gegenwart – ja, Lola, deiner –, umso stärker wird das Gefühl, dass du auch noch die Erinnerungen an Anna kontrollierst. Wir reden über sie, wann du willst. Ich höre bei Weitem nicht so viel von Ellen, wie sie dir E-Mails schreibt. Weil es mit dir lustiger ist. Du bist die Ur-coole-Oma. Ich bin nur die öde Geraldine. Aber wenn ich von dir wegkomme, Lola, vielleicht, nur vielleicht, wird mir das den nötigen Freiraum geben, eigene Beziehungen zu meinen eigenen Kindern und Enkeln aufzubauen, bevor es zu spät ist. So wie es bei Anna fast zu spät war.«
Lola brachte kein Wort heraus. Geraldines Vorwürfe waren zu gewaltig, zu schmerzlich. Solch eine Unterredung hatte sie noch nie mit ihr geführt. Sie wusste nichts zu sagen.
Geraldine schien das nicht zu berühren. »Nun weißt du Bescheid«, sagte sie und griff zum Schwamm. »Aus diesem Grund gehen wir hier fort, Lola. Und aus diesem Grund haben wir dich auch nicht gebeten mitzukommen.«
Kapitel 11
An den nächsten beiden Tagen blieb Lola in ihrem Zimmer. Jim sagte sie, es gehe ihr nicht gut. Bett und Carrie hörten bei ihrem Anruf dasselbe. Es entsprach der Wahrheit. Lola fühlte sich krank. In der Seele. Verletzt, ausgelaugt und krank.
Luke rief an. Auch Patricia, Margaret und Kay. Um Lola mit den neuesten Schaufenster-Dramen zu unterhalten, von ihren Online-Abenteuern zu erzählen. Lola fasste sich kurz. Sie sei heiser, freue sich aber auf ausführliche Berichte, wenn es ihr wieder besser ginge.
Emily erschien mit zwei neuen Mixturen. Als Jim anrief und sagte, sie sei an der Rezeption, bat ihn Lola, sie zu entschuldigen. Sie könne noch keinen Besuch empfangen. Emily ließ ihr die Kostproben und eine Nachricht da.
Du fehlst uns. Hoffentlich geht es dir bald besser. Emily xxx
PS: Der blaue Saft basiert auf Blaubeere und Rosenwasser, der rote ausschließlich auf Erdbeere. Viel Farbe und Vitamine, speziell für Dich. Und welcher immer Dir besser schmeckt, wird »The Lola« heißen.
Jim brachte ihr Frühstück ans Bett, mittags ein Sandwich und abends einen Salat. Lola aß von allem wenig, und das nur ihrem Sohn zuliebe. Sie stand unter Schock. Anders ließen sich ihre Gefühle nicht beschreiben.
Anfangs, gleich im Anschluss an ihr, ja, ihr was mit Geraldine – ihren Streit? ihr Wortgefecht? ihre Stunde der Wahrheit? – hatte sie nur Wut verspürt. Wut, und Fassungslosigkeit. Aber nach dieser ersten Gefühlsaufwallung hatten sich langsam schmerzlichere Empfindungen gemeldet. Hatte Geraldine die Wahrheit ausgesprochen? Hatte Lola versucht, alles zu kontrollieren? Hatte sie es genossen, dass die Mädchen lieber bei ihr waren? In ihr die Amüsante, die Abenteuerlustige sahen?
Ja. Auf all diese schwierigen Fragen: ja.
Doch nur aus ehrenwertem Grund. Sie hatte das alles nur für die Mädchen getan. Auch das entsprach der Wahrheit.
Oder nicht?
Nein, dachte Lola hinter ihren geschlossenen Gardinen, wodurch sie nach draußen, jedoch
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