Die Frauen von der Beacon Street
einem weiteren Schalter zu schaffen, in der Mitte des Tisches öffnete sich ein Loch, wieder war ein leises Surren oder Quietschen zu hören, und aus der Öffnung trat von irgendwoher darunter eine dünne, sich langsam ausbreitende Wasserlache.
» Eine Pumpe? « , fragte er.
Das Medium erwiderte nichts.
» Dachte ich mir « , sagte Benton. Er richtete sich auf und schob die Hände in die Hosentaschen. » Nun, Mrs Dee, muss ich auch noch die Vitrine in der Ecke öffnen? «
Das Medium starrte ihn an. In Mrs Dees Augen stand abgrundtiefer Hass.
Sibyl bemerkte, wie sich der Ausdruck in Professor Friends Gesicht in den vergangenen Minuten von Überraschung zu Unbehagen und schließlich zu leiser Amüsiertheit gewandelt hatte. Mit verschränkten Armen lehnte er sich zurück.
» Oho « , warf der Philosoph ein. » Ich zumindest würde ganz gerne einen Blick in diese Vitrine werfen, Professor Derby. Ich kann mir kaum vorstellen, wie die Dame in der Lage sein könnte zu widersprechen. «
Mrs Dee brachte nach wie vor kein Wort über die Lippen, doch ihre Hände packten die Armstützen ihres Lehnstuhls noch fester. Trotz der noch immer anhaltenden Benommenheit, in der sich Sibyl nach der Séance befand, begann ihr allmählich zu dämmern, was Benton dem Medium da unterstellte. Ihr Blick wanderte zu Mrs Dee und ruhte auf ihrem so vertrauten Gesicht, dem Gesicht, das ihr so viel Trost gespendet hatte.
Ein Gesicht, das sie angelogen hatte.
Und dafür Geld genommen hatte.
Eine Gewitterwolke braute sich in Sibyls Brust zusammen, und ihre Mundwinkel verzogen sich voller Bitterkeit.
Benton ging zu der Vitrine hinüber und öffnete die unteren Türen. Im Inneren befanden sich Regalbretter mit ordentlichen Stapeln Tischwäsche, Servietten, Geschirrtüchern. Es war in jeder Hinsicht ein ganz gewöhnlicher und nicht weiter interessanter Wäscheschrank.
» Es entzieht sich vollkommen meiner Einsicht « , zischte Mrs Dee zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, » was für ein Interesse Sie an meiner Tischwäsche haben könnten. «
» Ach « , sagte Benton und hob einen Finger. Dann wandte er sich wieder dem Schränkchen zu, fuhr mit der Hand von außen über das Scharnier des Schlosses und stieß auf eine verborgene Vorrichtung. Er griff in das Schränkchen, steckte den Finger durch eine kleine Öffnung in der Rückwand hinter den Servietten und zog. Sibyl hörte ein deutliches Klicken, und der innere Teil des Schränkchens schwang nach außen. Hinter den Regalbrettern, das sah man jetzt, lag eine Verblendung, hinter der sich alles Mögliche befand – unter anderem ein kleiner Phonograph, ein langes Sprechrohr, eine seltsam umgebaute Geige, ein Tamburin und ein Eimerchen mit einer gräulichen Masse – nichts anderes als Gaze, die mit irgendeiner undefinierbaren Flüssigkeit getränkt war.
» Da haben Sie Ihr Ektoplasma « , stellte Benton fest und verzog bei dem scharfen Geruch das Gesicht. » Puh. Was ist das denn? «
Professor Friend lachte und klatschte begeistert in die Hände. » Mann, Sie sind wirklich schlau, dass Sie dieses Geheimfach entdeckt haben. Schätze, daher kommt auch die Musik? «
» Aber ich … ich … « , stammelte Sibyl. Niemand im Raum beachtete sie.
» Sogar noch interessanter als das Schränkchen « , mutmaßte Benton, » ist das, was wir vermutlich in ihrem Stuhl versteckt finden. Madam? Ich denke, Sie werden wohl kaum so freundlich sein aufzustehen? «
» Na gut « , fauchte die Frau, erhob sich und legte die Hände auf die Tischplatte. » Sie brauchen nicht nachzusehen. Wenn Sie es unbedingt wollen: Der Stuhl hat ein Geheimfach unter dem Sitz. Darin finden Sie ein paar Perücken, etwas Bühnen-Make-up und eine Hand aus Wachs. Sind Sie jetzt endlich zufrieden? «
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und der Butler, der das Rumoren im Zimmer gehört hatte, eilte seiner Herrin zu Hilfe. Als er sah, dass das Schränkchen offen stand und seinen Inhalt mit dem ganzen Grauen eines ausgeweideten Kadavers offenbarte, blieb er entsetzt stehen.
» Madam! « , rief er aus. » Aber was ist denn bloß geschehen? «
» Sehr wahrscheinlich « , wandte Benton sich an Professor Friend, als führten die beiden nur irgendein Gespräch in seinem Büro, ohne auf die anderen Menschen zu achten, die in Hörweite waren, » steckt der Butler mit ihr unter einer Decke. Sie braucht sicher jemanden, der im Schutz der Dunkelheit hereinkommt und den Mechanismus bedient, welcher aufs Stichwort das Abspielen
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