Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
Vom Netzwerk:
protestierte Sibyl, die sich über Benton ärgerte, ohne zu wissen, warum, » ich begreife einfach nicht, was das mit diesem Kondensationszeugs zu tun hat, von dem Sie da reden. «
    » Opiate « , erklärte Benton, » verursachen lebhafte Wachträume. Psychologisch gesehen, ist es dasselbe wie das, was Sie möglicherweise sehen, wenn Sie schlafen. Nur dass Sie wach sind und durch den Einfluss der Droge die Bilderwelt noch intensiver ist. «
    » Und? « , sagte Sibyl finster. Allmählich wurde ihr klar, worauf Benton hinauswollte.
    Aus der Etage über ihnen kam erneut ein noch lauteres Rumpeln. Es klang, als habe jemand etwas Metallisches fallen und über den Holzboden rollen lassen.
    » Was um alles in der Welt … « brummelte Sibyl vor sich hin.
    Benton achtete nicht darauf.
    » Denken Sie doch mal nach. Sie waren in Gedanken in letzter Zeit so viel bei Ihrer Mutter und Schwester. Sie werden jeden Tag hier im Haus an sie erinnert. Und dann war der Jahrestag des Schiffsunglücks, das ist immer eine schwierige Zeit. Stimmt’s? «
    » Denke schon. «
    » Also ist es nur natürlich, dass sich Ihr Unterbewusstsein in dieser Zeit des Jahres Bildern der See zuwendet, vielleicht sogar von einem Ozeandampfer. «
    » Und selbst wenn … «
    » Selbst wenn. Dann hatten Sie gerade Professor Friend angesehen, der gegenüber von Ihnen am Tisch saß. Er war der letzte optische Eindruck, bevor Mrs Dee das Licht ausschaltete. Außerdem hatte er Ihnen eine Wertschätzung und Unterstützung geschenkt, die ich Ihnen nicht gegeben hatte. Sie waren ihm dankbar. Er hatte Sie in dem Wunsch bestätigt, in Kontakt zu Ihren verlorenen Angehörigen zu treten, und so vermischte sich dieser Wunsch in Ihrem Unterbewusstsein mit ihm. Es ist nur natürlich, dass Sie Ihren Traum mit seinem Bild überlagerten. «
    » Aber … «
    » Sibyl « , unterbrach Benton sie. Seine Augen blickten sie flehend an, damit sie endlich begriff. » Es ist nur ein Traum. Diese Vision, die Sie gehabt haben – sie ist eine Projektion Ihres Unterbewusstseins. Eine Manifestation Ihrer Trauer über den Verlust von Helen und Eulah. Es ist verständlich und nichts, wofür man sich schämen müsste. Aber Sie müssen einsehen, dass es weder etwas mit Hellseherei noch mit einem Kontakt zur Geisterwelt zu tun hat. «
    Sie wägte seine Worte ab und musste zugeben, dass es einen Sinn ergab, was Benton da erläuterte: dass das Bild, das sie immer wieder in der Kristallkugel gesehen hatte, möglicherweise wirklich nur ein Fragment aus der Tiefe ihres Inneren sein mochte, das von ihrem Unterbewusstsein neu zusammengesetzt wurde, um ihr das zurückzugeben, wonach sie sich so sehr sehnte.
    » Aber « , sie senkte die Stimme zu einem Flüstern, » es kam mir so real vor. « Sie suchte in seinen Augen nach Verständnis und fand tatsächlich Geduld und Mitgefühl. Doch nichts, was man hätte Glauben nennen können.
    » Ich weiß « , flüsterte er zurück. Er schien noch etwas sagen zu wollen, denn seine Augen bohrten sich in ihre.
    » So wirklich « , meinte sie, » wie Sie jetzt. « Sie legte ihre Hand auf seine, die noch immer auf ihrem Knie lag, und hielt sie dort fest. Und sie wartete mit geöffneten Lippen.
    Ein Ausdruck tiefer Berührtheit huschte über Bentons Gesicht, und er murmelte: » Sibyl, ich … «
    Sie neigte sich näher zu ihm, wünschte sich zu hören, was er noch sagen würde. » Ja? «
    Und dann presste er die Lippen auf ihren Mund.
    Sibyl hatte kaum die Gelegenheit, sich bewusst zu machen, was gerade geschehen war, als das Geräusch eines Stuhles, der über den Holzboden geschoben wurde, und das Rascheln von Papier beide aufspringen ließ. Nun war in der schummrigen Dunkelheit des kleinen Salons eine Bewegung wahrzunehmen, und die Gestalt von Lan Allston trat aus den Schatten, die eine Hand in die Westentasche geschoben. In der anderen hielt er eine Zeitung, mit der er sich nachdenklich ans Bein schlug. Die eisblauen Augen des Seemanns schimmerten düster, und um seine Lippen lag ein missbilligender Zug.
    » Oh! « , rief Sibyl vollkommen überrascht aus. » Papa. Ich hab gar nicht gemerkt, dass du … «
    » Guten Abend, Professor Derby « , sagte Allston mit einem kurzen Nicken in Richtung Benton. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf seine Tochter. » Schätze, du hast dem Personal noch nicht mitgeteilt, dass wir heute Abend einen weiteren Gast zum Essen haben, oder? «
    » Wirklich, Captain Allston, ich wollte nicht … « , begann Benton.
    » Ich war …

Weitere Kostenlose Bücher