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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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behielt ihren Arm bei Dovie und lächelte ihm zu.
    » Nun « , sagte er zögerlich.
    » Gute Nacht, Professor Derby « , meinte Dovie und hielt Sibyls Arm fest.
    » Gute Nacht, Miss Whistler. Und – kneifen gilt nicht. Ich wünsche mir eine Longfellow-Rezitation von Ihnen. Darauf bestehe ich. «
    » Gute Nacht, Benton « , sagte Sibyl. Sie wechselten einen Blick, der Aussicht auf weitere Gespräche für den nächsten Tag verhieß.
    Benton tippte sich an den Hut, deutete eine Verbeugung an und verschwand durch die Haustür.
    » Komm, Liebes « , sagte Sibyl und führte Dovie das gewundene Treppenhaus hoch.
    Ihre Freundin stützte sich schwer auf Sibyls Arm, als hätte Harlans möglicher Aufbruch in das Ausbildungslager sie jeglicher Kräfte beraubt. Ihr Körper fühlte sich so zart und zerbrechlich an wie der eines Vögelchens, und als sie die Treppe hochstiegen, legte Dovie erschöpft die Wange an Sibyls Schulter.
    » Und morgen redest du mit ihm? « , murmelte sie.
    » Ja « , erwiderte Sibyl grimmig.
    » Versprichst du’s mir? « , drängte das Mädchen.
    Sibyl tätschelte Dovies Hand. » Ich verspreche es. «
    Schließlich waren sie am Ende der Treppe angelangt, und Sibyl schob Dovie, den Arm um ihre schmalen Schultern gelegt, auf die Tür des Raumes zu, den einst Eulah bewohnt hatte. Unter der Tür zu Harlans Zimmer brannte kein Licht mehr, leises Schnarchen drang hervor. Sibyl blieb stehen und legte Dovie die Hände auf die Schultern.
    » Also, du ruhst dich jetzt aus. Okay? Ich bin mir sicher, morgen können wir Harlan zur Vernunft bringen. Es würde auch nichts helfen, wenn du die ganze Nacht aufbleibst und dir Sorgen machst, oder? «
    » Nein « , pflichtete ihr Dovie bei. » Ich schätze nicht. Gute Nacht, Sibyl. « Dovie ging auf die Zehenspitzen, um Sibyl einen raschen Kuss auf die Wange zu geben.
    Sibyl lächelte dem schläfrigen Mädchen zu, das ihr noch einmal zuwinkte, ehe es durch die Tür zu Eulahs Zimmer verschwand.
    Sibyl stand allein im Flur, und sogleich schwand das Lächeln aus ihrem Gesicht. Sie lauschte auf die Geräusche des Hauses: ein Knirschen, Schnarchen, das Ticken der Kaminuhr im Erdgeschoss. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und eilte den Flur entlang zu ihrem Zimmer.
    Doch als sie die Tür erreichte, ging sie daran vorbei, ohne einzutreten.
    Stattdessen schaute sie nach rechts und links und stieg die Dienstbotentreppe hinab. Alle Lichter waren gelöscht, und Sibyl musste sich die schmale Treppe entlangtasten, bis sie im unteren Flur angelangt war, der zum Kücheneingang des Hauses führte. Dort nahm sie einen der abgelegten Mäntel, die oft an dem Haken neben der Hintertür hingen, und zog ihn an.
    In diesem Moment öffnete sich quietschend die Küchentür, und Sibyl rief erschrocken: » Huch! «
    Vor ihr stand Betty Gallagher. Ihr sommersprossiges Gesicht wirkte angespannt. Mit der einen Hand hielt sie die Küchentür offen, in der anderen trug sie eine kleine Öllampe.
    » Miss Allston! « , rief sie.
    » Betty! « , schnappte Sibyl nach Luft und schlug eine Hand vor die Brust, um ihr heftig pochendes Herz zu beruhigen. » Meine Güte, haben Sie mich erschreckt! Aber Sie sind ja immer noch da! Warum um alles in der Welt sind Sie denn nicht nach Hause gegangen? «
    Die Köchin sah verhärmt aus, ihre blutunterlaufenen Augen blinzelten schnell. Müdigkeit steht ihr nicht gut zu Gesicht, dachte Sibyl gemeinerweise. Zum ersten Mal fand sie, dass Betty etwas Grobschlächtiges hatte.
    » Ich … « hob Betty zu sagen an. » Das heißt, ich hatte noch ein paar Dinge in der Küche zu tun, und … « Auf der Suche nach einer halbwegs plausiblen Lüge stammelte sie vor sich hin, beschloss dann aber, auf Ausflüchte zu verzichten. » Sagen Sie, er wird doch nicht fahren, oder? «
    » Wer? « , fragte Sibyl und knöpfte ihren Mantel zu. » Harlan? «
    » Natürlich Harlan! « , sagte Betty aufmüpfig, und Sibyl runzelte die Stirn, als sie den ungeduldigen Ton in der Stimme der jungen Frau hörte. Betty hatte Sorgenfalten um die Augen, und ein trauriger Ausdruck lag um ihren Mund. Man hätte sagen können, die junge Köchin wirke wie jemand, der sich zu einsam fühlt.
    » Nun « , begann Sibyl und versuchte, ihre Erwiderung ganz neutral klingen zu lassen. » Ich könnte es nicht genau sagen. «
    Sie blickte gleichmütig zu Betty, um die Köchin auf dezente Weise ihre Autorität spüren zu lassen. Betty erwiderte den Blick und schaute finster unter ihren blassrötlichen Augenbrauen

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