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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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war. Er hatte es geliebt, sich zu verkleiden, indem er sich einen der Schals seiner Mutter nach Freibeuterart um den Kopf band oder mit einer Schärpe um die Leibesmitte, einer Zigarrenschachtel als Fez und einem verborgenen Entermesser den Zuaven gab. Dann kroch er auf allen vieren durchs Dunkel, lauerte den Küchenmädchen auf und lauschte Gesprächen, um später seinem General in der Basis darüber Bericht erstatten zu können oder dem Piratenkapitän, der an Bord des Schiffes auf ihn wartete und sich über den Überläufer freute. Seine Notizen verfasste er in einem selbst ausgedachten, höchst komplizierten Code, in dem sich Elemente der Kurzschrift für Logbucheinträge mit algebraischen Symbolen mischten. Harlan liebte es, im Verborgenen zu bleiben, auf edler Mission, und sich dadurch all dem zu entziehen, was sein Vater für ihn vielleicht in petto hatte.
    Harlan setzte sich auf die untere Stufe der Dienstbotentreppe und beugte sich hinab, um in seine Schuhe zu schlüpfen.
    » Oh! « , machte eine Stimme.
    Sein Kopf fuhr hoch, und er sah in das erschrockene Gesicht von Betty Gallagher, die all ihre Gewandtheit aufbringen musste, um nicht eine Platte mit Brathähnchen fallen zu lassen.
    Er sprang auf, machte einen beherzten Satz nach vorn und schob die ausgestreckten Arme unter die Platte, um das Hähnchen zu retten. Sein Puls beschleunigte sich vor Freude bei dem Gedanken, dass Betty nun in seine Pläne eingeweiht sein würde.
    » Mister Harlan! « , rief Betty, als sie sich ein wenig von ihrem Schrecken erholt hatte. Sie sah sein Abendjackett, den Mantel über dem Arm und blickte zu der Tür, die ins Speisezimmer führte. » Aber … Abendessen gibt es erst um halb acht. «
    Harlan stand ganz nah bei ihr, während beide die Hände unter die Platte mit dem Hähnchen geschoben hatten, und schaute in Bettys Gesicht mit den großen Augen und dem wilden Haar. Ihre Sommersprossen waren eine Augenweide. Nur die allerwenigsten Männer mochten Sommersprossen, weil sie sie für ordinär hielten, doch bei Betty wirkten sie anziehend. Wie Spritzer Kuchenteig, den man mit dem Daumen wegwischen konnte, buttrig und süß. Er verzog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln, fragte sich kurz, ob sie sich entziehen würde, und legte dann probehalber einen Arm um ihre Taille.
    » Nicht für mich « , flüsterte er zurück. » Ich esse im Club. « Er verstärkte den Druck seines Armes ein wenig und spürte, wie ihr Fleisch unter der Schürze und dem Leibchen des Kleides einladend nachgab. Sie entzog sich ihm nicht. Mit einem Schauder der Begierde fragte er sich, wie weit er wohl gehen könne.
    Sie erwiderte sein schiefes Lächeln und packte die Platte mit beiden Händen. » Wieso denn das, Mister Harlan? « , schalt sie ihn. » Was wird denn Ihr Vater dazu sagen? «
    » Hm « , machte er und setzte eine gespielt besorgte Miene auf. » Ach, darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Was sollen wir ihm denn bloß sagen? « Er neigte den Kopf näher zu Bettys Sommersprossen und setzte eine um Mitleid heischende Miene auf.
    » Ja, was bloß? « , flüsterte sie.
    Ihre Blicke begegneten sich, der seine mit einem Funkeln des Schalks, der ihre argwöhnisch.
    Erregt durch das Fenster der Möglichkeiten, das sie anscheinend für ihn aufgestoßen hatte, beugte sich Harlan über sie und presste die Lippen auf Bettys Mund. Er spürte Widerstand, der jedoch unter seinem Druck nachließ. Betty schmeckte so, wie er es sich vorgestellt hatte, nach Mehl und Salz und Zimt, und seine Finger pressten sich in ihren unteren Rücken, spürten die Beschaffenheit ihrer Haut. Er drückte sie noch fester an sich, ließ die Zunge zwischen ihre Lippen gleiten und das Innere ihrer Mundhöhle erkunden. Ihr Mund war köstlich, warm, nachgiebig, ohne dass sie den Kuss jedoch seltsamerweise erwiderte; es war mehr ein Hinnehmen als ein Teilnehmen. Einen Moment später stieß sie ihn von sich weg, wischte sich mit der freien Hand den Mund ab und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
    » Sie Lümmel! « , schalt sie ihn, jedoch mit einem wissenden Lächeln.
    Harlan lachte. Betty war ein nettes Mädchen, das für einen Spaß zu haben war. Und nichts anderes hatte er erwartet.
    Genau in diesem Moment ging die Küchentür auf, und Mrs Doherty stand da, das Gesicht ausdruckslos. » Hat das Mädchen Sie belästigt, Mister Harlan? « , fragte sie ohne Umschweife.
    » Nein, ganz und gar nicht « , antwortete er mit funkelnden Augen. » Aber jetzt muss ich mich sputen.

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