Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
Vom Netzwerk:
Bord waren, dass sie ihrer Familie sofort die Nachricht telegrafiert hatte. Und tatsächlich war es das Allerletzte gewesen, was Sibyl von ihrer Mutter gehört hatte.
    Das heißt, als sie noch am Leben war.
    sitzen heute abend mit den wideners zu tisch.
nicht der kapitänstisch, aber immerhin stopp
eulah unter den jungen leuten die auffallendste blüte stopp sorg dafür dass papa seine medizin nimmt stopp alles liebe mutter.
    Bescheidenheit war nicht gerade die Stärke ihrer Mutter gewesen.
    Sibyl wandte sich von der Bibliothek ab und hastete über den Campus, den Weg in die Fakultät für Sozialethik halbwegs im Kopf. Sie hatte es eilig, sich mit dem Mann zu treffen, den sie nicht mehr gesehen hatte, seit er eine andere zur Frau genommen hatte.
    Als Sibyl im Gebäude für Sozialethik die Treppe hochstieg, fuhr ihr auf dem Absatz zum zweiten Stockwerk ein Schmerz durch den Leib. Schwarzer Nebel waberte durch ihr Gesichtsfeld. Sie lehnte sich an das Geländer, holte tief Luft. Ihr Vater hatte recht – sie hatte zum Frühstück nicht genug gegessen. Eigentlich waren es nur etwas gesüßter Kaffee und ein paar Löffel von Bettys Hafergrütze gewesen.
    Vielleicht auch nur ein oder zwei Löffel.
    Sie atmete durch, spürte den Druck des Korsetts rund um ihren Brustkorb und den Bauch. In einer Minute war es bestimmt vorbei. Das war es immer.
    Bald löste sich der Nebel auf, der Schmerz ging zurück, und an seine Stelle trat das vertraute Gefühl angenehmer Leere. Und Kontrolle. Jetzt konnte sie ihm gegenübertreten. Sibyl stieß den Atem aus, erfüllt von einem verdrehten Gefühl des Triumphs.
    Bentons Büro lag am Ende eines dunklen Korridors, die Tür stand weit offen. Stimmen hallten durch den Flur, und ihr Blick fiel auf eine Gestalt im Anzug, die in der Tür zu Bens Büro lehnte. Offenbar waren die beiden in ein lebhaftes Gespräch vertieft.
    » Ach, das kann nicht Ihr Ernst sein! « Sibyl hörte Bens Stimme. Sie klang freundlich, aber herausfordernd.
    Der Mann in der Tür zu seinem Büro lachte. Neugierig kam Sibyl auf leisen Sohlen näher.
    » Ich sag Ihnen, was das Problem ist, Benton « , meinte der Unbekannte. » Alles Amateure und Scharlatane. Im Globe habe ich über einen Gauner gelesen, der Séancen für leicht zu beeindruckende Frauen abhielt. Dann hat er sie verführt und ihnen das Geld abgeknöpft. In dem Artikel stand, als er verhaftet wurde, seien seine Taschen voller Liebesbriefe, Rezeptvordrucke und Visitenkarten von Hellsehern gewesen. Schon allein aus dem Grund sollte eine echte Untersuchung des Spiritismus einzig und allein im akademischen Umfeld stattfinden. Sind wir es der Wissenschaft nicht schuldig, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen? «
    Sibyl schluckte, weil dieser lebhafte intellektuelle Diskurs sie ebenso erregte, wie er ihr Angst machte. Alle Frauen aus ihrer Bekanntschaft verbrämten ihre Meinungen mit einer so höflichen Ausdrucksweise, dass es schwierig war herauszufinden, wie tief ihre Überzeugungen tatsächlich gingen. Eulah war da natürlich anders gewesen. Sie hatte mit ihrer Meinung nie hinter dem Berg gehalten, niemandem gegenüber. Doch Eulah war auch so schön gewesen, dass sie es sich leisten konnte, andere vor den Kopf zu stoßen.
    » Hoppla, Sie haben Besuch. « Der Mann hatte sie entdeckt und bedeutete ihr mit einer lässigen Handbewegung, näher zu kommen. Sie tat es, während ihr eine tiefe Röte ins Gesicht stieg.
    » Es ist eine Verschwendung von Zeit und Energie « , konterte Benton aus dem Büro. » Ich mache mir viel mehr Gedanken über die praktischen Aspekte der Frage, wie man im Hier und Jetzt ein gutes Leben führen soll. «
    Während Benton das sagte, lächelte der Mann in der Tür Sibyl zu. Sie trat noch näher. Schließlich war sie eingeladen worden. Der Mann, der sich als jünger entpuppte, als sie anfänglich aufgrund seiner Art des Redens vermutet hatte, trat beiseite, um ihr Platz zu machen, und lächelte sie hinter einer Brille mit Goldrand hervor an. Sein Haar war in der Mitte gescheitelt, lag in ondulierten und wie gelackten Wellen dicht am Schädel, und sein Anzug war aus fadenscheinigem Tweed.
    » Praktische Aspekte, Professor Derby « , nahm der Mann den Faden wieder auf und zeigte auf sie.
    Sibyl trat durch die Tür und fand sich in einem Raum wieder, der kaum größer war als ihr begehbarer Schrank zu Hause. Er war bis zum Platzen vollgestopft mit Papieren, einem Schreibtisch, einem Stuhl, Büchern, einem vollen Messingaschenbecher und etwas

Weitere Kostenlose Bücher