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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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wirkliche Ausmaß des Interesses seiner Tochter an politischen Themen auszuloten. » Nun, ich schätze, wir können das auch heute Abend diskutieren. Ist wohl kaum ein Thema fürs Frühstück. « Seine Augen wanderten von ihrem Gesicht zu der Gabel, die ziellos am Rand ihres Tellers hin und her fuhr.
    » Wirklich? « , fragte Sibyl.
    » Es genügt zu sagen « , erwiderte ihr Vater, » dass der Kaiser ein skrupelloser Mann ist. Skrupellos. Und ohne Ehre. «
    Sibyl hob die Augenbrauen, da sie wusste, dass die Schmälerung der Ehre eines Mannes die größte Beleidigung aus Lan Allstons Mund war.
    » Wenn du die Zeitung für mich liegen lässt, lese ich sie am Nachmittag « , sagte sie und führte einen winzigen Bissen Ei zum Mund. » Aber sag es bitte auch Mrs Doherty, sonst wirft sie sie weg. «
    » Es steht bestimmt auch in der Evening Transcript, da bin ich mir sicher « , sagte ihr Vater, der noch immer fasziniert die langsamen Fortschritte ihrer Gabel beobachtete.
    Wieder führte sie ein ebenso mikroskopisch kleines Stückchen Ei an ihren Mund und ließ es zwischen ihre Zähne gleiten. Sie machte ein großes Gewese um Kauen und Schlucken und bemühte sich sogar darum, einen gewissen Genuss zur Schau zu stellen.
    » Betty macht einfach die besten Eier, findest du nicht? « , fragte Sibyl, um das Interesse ihres Vaters an ihrem Essvorgang ein wenig zu mildern.
    » Hm « , stimmte er zu, ohne sie aus den Augen zu lassen.
    Er streckte eine Hand aus und schlug schwungvoll auf die kleine Glocke, die neben seinem Platz stand.
    Mrs Doherty erschien, ohne ihre Verärgerung über die Einbestellung zu verbergen. Sie kaute, wie Sibyl bemerkte, was darauf schließen ließ, dass sie bei ihrem eigenen Frühstück unterbrochen worden war.
    » Sir? « , fragte die Haushälterin und schluckte den Bissen in ihrem Mund schnell hinunter.
    » Bringen Sie bitte Miss Allston etwas Speck. Wir haben doch welchen im Haus? « , fügte er hinzu, was mehr eine Feststellung als eine Frage war, denn das Vorhandensein von Speck war eine Selbstverständlichkeit. » Schön kross gebraten. In Butter. «
    » Sehr gerne, Mister Allston « , sagte die Haushälterin und deutete einen Knicks an, bevor sie in die Speisekammer abdampfte.
    » Papa, das ist wirklich nicht nötig. « Sibyl wurde von einem tadelnden Blick ihres Vaters zum Schweigen gebracht.
    » Ich brauche dich bei Kräften « , erklärte er sanfter, als Sibyl erwartet hatte. » Immerhin war es eine lange Nacht. Und so wie es aussieht, wird es heute auch wieder ein langer Tag. «
    Zu ihrer Überraschung streckte ihr Vater eine raue Hand über den Tisch und drückte aufmunternd ihr Handgelenk. Sibyl blinzelte, überrascht über diese ungewohnte Zurschaustellung von Zuneigung. Sie tauschten ein Lächeln und setzten die Mahlzeit schweigend fort. Als Mrs Doherty wenige Minuten später wieder eintrat, in der Hand einen kleinen Teller mit einigen kunstvoll arrangierten, duftenden Speckstreifen, nahm Sibyl die Leckerei mit einem Nicken entgegen und aß.
    Keiner von beiden erwähnte den leeren Platz am anderen Ende des Tisches.
    Als das Frühstück beendet war und ihr Vater begann, in seinen Jackentaschen nach den Utensilien für die erste Pfeife des Tages zu kramen, beschloss Sibyl, dass die Zeit gekommen war, um mit ihm zu reden. Sie räusperte sich, und ihr Vater hob eine drahtige Augenbraue in ihre Richtung, um zu signalisieren, dass er ahnte, was sie gleich sagen würde.
    » Also. Ist sie denn …? « , fragte Sibyl.
    Ihr Vater nickte und deutete mit dem Kinn in Richtung großen Salon. » Ich schätze, Mrs Doherty hat ihr mit Kleidung von dir ausgeholfen. Eine ziemliche Verbesserung, muss ich sagen. «
    Sibyl deutete ein Stirnrunzeln an, da sie gar nicht gemerkt hatte, dass etwas von ihren Blusen und Röcken fehlte, und auch weil es ihr nicht recht war, dass man sie vorher nicht gefragt hatte. Doch dann bremste sie sich, weil sie sich kleinlich fühlte. Natürlich musste das Mädchen etwas zum Anziehen haben.
    Am vergangenen Abend hatten Sibyl und Lan, einer unausgesprochenen Übereinkunft folgend, die Pflichtgefühl über Schicklichkeit setzte, Dovie dazu gedrängt, mit ihnen zum Stadthaus zurückzukehren und die Nacht dort zu verbringen. Praktisch veranlagt, wie die Allstons waren, hatten sie es nicht gutheißen können, das Mädchen zu solch vorgerückter Stunde allein zu sich nach Hause zu schicken, zumal es nach all den Ereignissen durchaus fraglich war, ob Dovie in ihren Räumlichkeiten

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