Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
Vom Netzwerk:
als über ihren körperlichen Zustand. Sibyl erwiderte ihren Blick und wünschte, die Frau würde endlich weggehen.
    » Ich kann Betty nicht so lange mit dem Frühstück warten lassen « , sagte Mrs Doherty schließlich, als wäre das eine glaubwürdige Erklärung dafür, dass sie Sibyl mit solcher Dringlichkeit aus dem Wasser gerissen hatte. Wartend blieb sie stehen und behielt die junge Herrin misstrauisch im Auge. Dabei tat sie so, als wolle sie Sibyl nur das Handtuch reichen.
    » Frühstück? « , fragte Sibyl, der bewusst wurde, dass sie verschlafen hatte. Das Personal hatte einen genauen Zeitplan zu befolgen, den sie selbst aufgestellt hatte und den aufrechtzuerhalten ihre Pflicht als Hausherrin war.
    Mit einem entrüsteten Schniefen, das sie sich jetzt, da für Sibyls Sicherheit gesorgt war, leisten konnte, legte Mrs Doherty das Badetuch beiseite und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Waschtisch zu. Mit dem Rücken zu Sibyl begann sie mit geschickter Hand, die Fläschchen und Flakons nach Größe zu sortieren, während sie sprach.
    » Die Eier werden schon kalt sein, und Sie wissen, wie er kalte Eier hasst. « Es bestand für keine von beiden eine Notwendigkeit, näher zu bestimmen, wessen Eier es waren, die kalt wurden.
    Die Haushälterin wagte noch einen letzten besorgten Blick über die Schulter zu Sibyl, die diesen betont übersah. Dann rauschte die Frau mit einem resignierten Brummen aus dem Bad und machte die Tür hinter sich zu.
    Wieder allein seufzte Sibyl und ließ den Kopf erneut ins abgekühlte Wasser sinken, spürte, wie es sich noch einmal über ihrer Nasenspitze schloss, und wusste mit unerfreulicher Gewissheit, dass sie sich nicht länger vor dem Tag verstecken konnte.
    Die Tür zum Speisezimmer öffnete sich mit einem Quietschen, und Sibyl schlüpfte in den Raum, der so komplett mit Walnussholzpaneelen verkleidet war, dass selbst die kühle Frühlingsluft, die durch das Erkerfenster hereinströmte, nicht den Eindruck verhindern konnte, es sei immer noch Nacht. Gemäß der Jahreszeit waren durchaus Versuche unternommen worden, die Stimmung in dem Raum ein wenig aufzuhellen: Ein fröhliches Arrangement von Narzissen und Osterglocken stand in der Mitte des Esstischs und erfüllte mit seinem Duft den Raum. Mitten auf dem Tisch lag ein Läufer aus weißem Leinen, den Helen als junge Braut mit einem Muster aus weißen Rosen und Rehkitzen bestickt hatte, die sich zwischen winzigen Efeublättern zur Ruhe gebettet hatten. Jemand hatte sich die Zeit genommen, das Silber und die Kerzenhalter zu polieren, in denen sich das Morgenlicht in einem kühlen Glimmen spiegelte. Dennoch schien der Raum all diese sonnigen Elemente in sich aufzusaugen, ja zu schlucken.
    An einem Ende des Tisches stand ein Stuhl mit geradem Rücken in einem achtlosen Winkel zurückgeschoben. Davor lag auf dem Tisch eine zerknüllte Serviette, die nur halbwegs ein paar Kaffeeflecken und eine Handvoll Brotkrumen verdeckte. Eine Gabel, mit Ei verklebt, lag mit den Zinken nach unten auf einem fettigen Teller. Ohne weiter auf das Stillleben zu achten, das um ihren angestammten Platz herum arrangiert war, nahm Sibyl auf dem Stuhl am gegenüberliegenden Ende Platz. Am Kopfende des Tisches, hinter einer Zeitung verschanzt, saß ihr Vater. Seine frisch eingeschenkte Tasse Kaffee dampfte.
    » Guten Morgen, Papa « , sagte Sibyl, um auf sich aufmerksam zu machen. Ihre Stimme war immer noch rau vom Schlaf. Während sie sprach, erschien Mrs Doherty und stellte wortlos einen Teller mit Eiern und gebuttertem Toast vor sie hin. Wie von Zauberhand wurde Kaffee in die Tasse vor Sibyls Fingerspitzen gegossen. Sibyl spürte, wie der Blick der Haushälterin auf ihr ruhte, als wolle sie noch einmal bestätigt wissen, dass mit ihr alles in Ordnung war.
    Die Zeitung raschelte.
    » Es ist gewissenlos, das sage ich dir « , meinte Lan Allston hinter der Morgenausgabe.
    Sibyl seufzte, weil sie keine Lust hatte, die Ereignisse des vergangenen Abends Revue passieren zu lassen, bevor sie nicht wenigstens einen Schluck Kaffee getrunken hatte. Sie führte die Tasse an ihre Lippen, die Augen auf die Tischdecke gerichtet, und brummte nur ein unverbindliches » Hm « , um zu verstehen zu geben, dass sie zuhörte.
    » Chlorgas « , fuhr ihr Vater fort und schüttelte missbilligend den Kopf. » Du kannst dir gar nicht vorstellen, zu welchen Schandtaten diese Deutschen in der Lage sind. Und ich hatte immer gedacht, das sind ehrenwerte Leute. «
    Sibyl stieß einen unhörbaren

Weitere Kostenlose Bücher