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Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Titel: Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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auch gefürchtet. Meine Lage in der Welt war zwiespältig. Schließlich war ich an einem Massenmord beteiligt gewesen, den mein Vater als legitim bezeichnete. Aber die Welt beurteilte diese Unternehmung nicht so nachsichtig. Und ich, der ich zwanzig Jahre lang wohl oder übel Tischgenosse und Gastgeber unserer ungebetenen Gäste gewesen war, konnte manchmal nur stammelnd auf die peinlichen Fragen antworten, die die Hinterbliebenen der Ermordeten hier und da an mich richteten.
    Die Achäer verlangten von mir die Beute zurück, die mein Vater gemeinsam mit seinen Gefährten im Trojanischen Krieg zusammengerafft und dann – so lautete die Beschuldigung – raffgierig in den Höhlen unserer Insel versteckt hatte. Auch diese Behauptung schmerzte mich. Über die Beute erfuhr ich nie die Wahrheit. Mein Vater verstand sich wunderbar darauf, materielle Dinge zu verheimlichen. Er lachte den Achäern ins Gesicht, als sie den Inhalt der mit Wind gefütterten Schläuche bei ihm suchten, die er von Aiolos geschenkt bekommen hatte. So verschwand alles, was er vor den Mauern von Ilion und danach auf seinen Irrfahrten – die später von manchen als gewöhnliche Raubzüge bezeichnet wurden – hier oder dort gesammelt oder geschenkt bekommen hatte. Die Zeit verging, es häuften sich die gezischelten Beschuldigungen, und immer beunruhigter spürte ich, dass der wunderbare Mann für mich, seinen rechtmäßigen Nachkommen und Thronerben, ein geheimnisvolles Wesen geblieben war.
    Ich beschloss, diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Nach kleineren oder größeren Ausflügen in die Umgebung entschied ich mich, der Reihe nach die Personen aufzusuchen, von denen ich annehmen musste, dass sie auch über Klatsch und neidvolle Beschuldigungen hinaus etwas Zuverlässiges über meinen Vater wussten. Ich wollte das Land der Phaiaken besuchen, das Land, in dem mein Vater sich vor seiner tragischen Heimkehr zuletzt aufgehalten. Dort – so hatte ich gehört – hatte er wortreich von seinen Abenteuern erzählt. Ich entschloss mich, nach Ogygia zu gehen und dort zu versuchen, die Gunst der geheimnisvollen Dame Kalypso zu erringen, die meinen Vater sieben Jahre lang in einer Art Liebesarrest gehalten hatte. Jetzt kann ich es ja sagen, zu dieser Reise ermutigte mich auch meine hehre Mutter! Wie jemand, der keine Ruhe finden kann und die Wohnorte wechselt wie ein Fieberkranker die Kissen, irrte ich lange unter den Menschen und Göttern umher, weil in meinem Herzen ein dunkles Feuer glühte – das geheimnisvolle Wesen meines Vaters, das ich kennenlernen wollte. Viele logen, weil sie ihn hassten. Andere logen, weil sie ihn liebten. Aber alles, was ich erfuhr, wiegt nicht die Worte auf, die Kalypso zu mir sagte.
    Ich glaube, diese Göttin hatte den wahren Charakter meines Vaters erkannt.
    IV
    Zuerst fuhr ich zu Alkinoos und den Phaiaken. Dies erwies sich als mühsam. Es war immer schwierig, eine Einreiseerlaubnis für die Insel Scheria zu bekommen. Die Phaiaken waren in ganz Argos dafür bekannt, dass sie Fremden gegenüber misstrauisch waren und heimatlosen Wanderern nicht gern eine Aufenthalts-, Niederlassungs-, Wohn- oder Arbeitserlaubnis erteilten.
    Der Besuch meines Vaters auf der Insel und die aus Sicht der phaiakischen Gesellschaft bedeutungsvollen und unheilschwangeren Ereignisse nach seiner Heimkehr hatten den Argwohn und die Abneigung der Einheimischen gegenüber fremden Wanderern nur noch gesteigert.
    Ich beschloss, inkognito zu reisen. Ich stellte mir vor, dass ich das Vertrauen der dortigen Behörden und das von Alkinoos’ Familie leichter gewinnen könnte, wenn ich meine Herkunft nicht offenlegte. Die Reisen, die ich vorher schon orientierungshalber unternommen hatte, hatten mich nämlich gelehrt, dass es nicht ratsam war, ohne Aufforderung mit meiner Abstammung zu prahlen. Es war mehrfach vorgefallen, dass meine jeweiligen Gastgeber sich aufbrausend und mit unerwarteten Forderungen an mich gewandt hatten, sobald ich mich mit Namen vorgestellt hatte; einige ließen uneingelöste Schuldscheine flattern, andere erkundigten sich, wo sich der Lichtbringer aufhalte, weil sie ihm auf dem Zwangsweg eine Vaterschaftsklage zustellen wollten. Ich wählte eine Verkleidung und ein Pseudonym – ich kleidete mich wie ein Rinderhändler aus Kreta, der Zuchtstiere für die Herden des Minos suchte –, und eines heißen Sommernachmittags, als Helios mit weißem Licht über dem Ionischen Meer brannte, legte ich mit meiner Barke an dem Ufer an, an das

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