Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)
schuldbewusst den Kopf senkte, »hat mit dem Wohlwollen, das aus den Herzen edler Frauen in jedem Lebensalter spricht, für den Fremden Partei ergriffen. Ebenso tat es meine Tochter Nausikaa«, jetzt war die Reihe an der Prinzessin, den Kopf zu senken, »und allgemein die Frauen an meinem Hof. Alle flehten, ich möge – ohne Rücksicht auf die strengen Vorschriften unseres Landes für die Kontrolle Fremder – Erbarmen mit dem Wanderer haben. Ich gab dem Flehen der Frauen nach.« Er seufzte. »Ulysses verstand sich trickreich darauf, die Herzen der Frauen zu gewinnen … Sogar so reine und edle Herzen, wie sie in der Brust meiner weißarmigen Frau und meiner edelmütigen Tochter schlagen.«
Er sprach langsam und stockend; die Erinnerung an Ulysses regte ihn sichtlich auf. Von Zeit zu Zeit fuhr er sich mit der linken Hand ans Herz, dann winkte er, und ein Diener reichte ihm in einer goldenen Schüssel Lotussamen; mit den Fingerspitzen nahm er ein wenig von dieser Delikatesse und lutschte während unseres Gesprächs das beruhigende Rauschmittel.
Halios, der bärtige Prinz, unterbrach ihn jetzt mürrisch:
»Dieser Windbeutel hat nicht nur die Herzen der Frauen erobert. Er verstand sich auch darauf, die Männer zu betören.«
Alkinoos winkte resigniert ab.
»Wahrhaftig«, sagte er dumpf. »Er hat uns alle mit seinem Zauber belegt. Ich muss sagen, er konnte uns wunderbar zu Herzen reden. Egal, welch hohen Preis wir für unsere Schwäche gezahlt haben, der Abend, an dem er uns von seinen Reisen und Abenteuern erzählt hat, wird uns unvergesslich bleiben.«
»Unsere Sänger unterhalten uns billiger, edler Vater«, sagte der stürmische Halios von oben herab. »Der fremde Eindringling hat schließlich die Rache der Götter über uns gebracht. Ich will gar nicht davon reden, dass unser bestes Schiff vernichtet ist«, und der bärtige, missgelaunte, junge Mann schlug sich wütend gegen den goldenen Brustpanzer.
Neugierig und mit durstigen Ohren hörte ich ihnen zu. Alles, was ich hörte, war neu. Mein Vater hatte sich nach der Heimkehr nur mit ein paar beiläufigen Worten an die Phaiaken und seine Landung auf der Insel Scheria erinnert. Jetzt stand ich hier, in dem Saal, wo der Wanderer einst von seinen Abenteuern erzählt hatte … Hier musste nur sein Name erwähnt werden, und schon kochte der Zorn wieder hoch, der zu einem familiären und nationalen Streit geführt hatte. Laodamos, ein hagerer Jüngling mit Hakennase, rief mit unangenehmer Näselstimme:
»Hehrer Vater, vergiss nicht, dass du es warst, der dem verdächtigen Fremdling unsere erhabene Schwester zur Frau angeboten hat!«
Im Saal war taktvolles Rascheln und Raunen zu hören. Diese Bemerkung hatte eine starke Wirkung auf die Anwesenden. Nausikaa stand bleich da, die glühenden, schwarzen Augen auf mich gerichtet.
Alkinoos senkte den Kopf und bedeckte die Augen mit der Hand. Dann gab er mit ausgestrecktem Arm ein Zeichen, dass die Lärmenden aufhören sollten. So sagte er, der vom Schicksal geschlagene Mann, mit gebrochener Stimme:
»Jetzt hast du die Wahrheit gehört, Fremder. All dies ist so geschehen. Manchmal scheint es, als wären wir in der kurzen Zeit, die Ulysses auf unserer Insel verbrachte, alle, Frauen und Männer, zu Opfern eines hexenhaften Zaubers geworden. Vielleicht hat er in den Höhlen der liederlichen Nymphen, wo er auf seinen Wanderwegen längere Zeit verbrachte, das Zaubern gelernt. Aber es schickt sich nicht, von diesen Dingen in der Gegenwart von Damen zu sprechen.« Er sah seine Tochter an.
Nausikaas Blick war verzaubert und starr auf mich gerichtet, als hörte sie die taktvollen Worte ihres strahlenden Vaters überhaupt nicht.
»Du kommst aus Ithaka«, fuhr Alkinoos fort. »Sprich also, Fremder! Was geschah mit unserem Gast nach seiner Heimkehr, und wie nahmen die Menschen in Ithaka den Heimkehrer auf?«
Ich erzählte alles, was ich in diesem Augenblick für nötig hielt. Meine Rede versuchte ich kurz zu halten. Während ich sprach, füllte sich der Saal nach und nach mit Zuhörern. Ältere Männer kamen, vornehme Phaiaken mit weißen Bärten, Alkinoos’ Provinzfürsten, die lange Schwerter an der Seite hängen hatten. Die Botschaft, dass ein Ausländer auf die Insel gekommen sei, der Ithaka gesehen hatte und von Ulysses wusste, beschäftigte die Phantasie der Phaiaken. In tiefer Stille hörten sie meinem Vortrag zu. Ich leugne nicht, dass mir die gespannte Neugier und die allgemeine Aufmerksamkeit wohltaten. Ich spürte,
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