Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)
dass durch die bezaubernde Persönlichkeit meines Vaters ich, der namenlose Prinz vom Lande, plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses welterfahrener Leute geraten war. Ich sprach in demselben Saal, in dem einst auch er mit dem Klang seiner Worte und der Urtümlichkeit seiner Geschichten die prunksüchtigen, überheblichen Phaiaken verzaubert hatte. Und wie sie einst seinen Worten lauschten, so hörten sie jetzt auch mir zu. Ich spürte, dass ich eine Rolle in der Welt hatte, weil mein Vater es so wollte – dass ich sogar dann eine Rolle hatte, wenn ich verkleidet war. Während ich sprach, hatte ich das Gefühl, Ulysses’ Geist spräche aus mir. Ich dämpfte den Tonfall meines Vortrags, weil ich nicht wollte, dass meine Zuhörer die Wahrheit über meine Person herausfänden. Aber in Nausikaas Blick lag ein gnadenloses Strahlen, das mich blendete. Manchmal wandte ich mich ab, um dieses sonderbar fordernde, leuchtende Augenpaar nicht sehen zu müssen.
Als ich mit den Nachrichten über das Schicksal der Freier, dann über den erneuten unerwarteten Aufbruch meines Vaters und den Aufenthalt meiner Mutter auf dem Lande fertig war – über die Entwicklung der Beziehung meiner Eltern sagte ich mit dem Takt eines Sohnes nur das Nötigste –, schrie ein alter Man, ein gewisser Echenos, dessen Wort die anderen mit Respekt hörten, plötzlich auf:
»Der Gast«, kreischte er mit belegter, heiserer, greiser Stimme, »hat erst beim Abschied zugegeben, dass er verheiratet ist!«
Auf diesen Zwischenruf erhob sich im Saal ein Sturm. Mehrere begannen erregt zu flüstern. Alkinoos, der bisher nur wortlos und sehr aufmerksam zugehört hatte, rief seine Untertanen mit einer Handbewegung zur Ruhe. Er lehnte sich in seinem prächtigen Lehnstuhl zurück und sagte nachdenklich:
»Echenos, du hast recht gesprochen. Unser Gast hat in den Stunden, die er unter dem Dach meines Hauses verbrachte, tatsächlich vergessen, rechtzeitig zu erwähnen, dass er verheiratet ist. Ansonsten hätte ich ihm auch nicht die Hand meiner einzigen Tochter angeboten.«
Nausikaas weißes Gesicht wurde bei diesen Worten purpurrot wie ein blühender Strauch im Frühling, wenn ihn die rosenfingrige Eos berührt. Das unruhige Raunen im Saal hörte nicht auf. Alkinoos begann mit erhobener Stimme zu sprechen.
»Was du gesagt hast«, sagte er höflich, aber düster, »hört sich an, als sei es die Wahrheit. Er ist heimgefahren, hat gemordet und sich dann wieder auf den Weg gemacht. Diese Möglichkeiten stimmen mit der Erinnerung an sein Wesen überein. Aber wo ist das Gold und das Salz?« Die letzten Worte sprach er noch lauter.
Das Rauschen im Saal, das während meines Vortrags einmal stärker, einmal wieder schwächer geworden war, ging bei diesen Worten in lautstarkes Rufen über. Einige Phaiaken fingen an zu schreien. Aus dem schrecklichen Lärm waren die Stimmen von Laodamos und dem alten Echenos herauszuhören.
»Das Gold und das Salz!«, schrien sie. »Er hat sich einen Vorschuss in Gold geben lassen und es mitgenommen. Wir haben einen Vertrag geschlossen, dass er fristgemäß Salz liefert. Und jetzt hören wir, dass er aus Ithaka spurlos verschwunden ist! Jetzt können wir ihn suchen wie die Nadel im Heuhaufen!«
So schrien sie. Alkinoos gebot Ruhe.
»Der Wanderer versteht eure Worte nicht«, sagte er würdevoll. »Du sollst die Wahrheit erfahren, Fremder. Alle hier sind Ulysses’ Opfer. Sein hochstaplerisches, bestechendes Verhalten betäubte die Urteilskraft meiner Frau und meiner Tochter. Aber seine farbige Rede, seine betörende Vortragsweise betäubte auch die Phaiaken, die im Handel routiniert und erfahren sind. Letztlich ist es kein Wunder, wenn ein weitgereister Abenteurer mit seinem verwirrenden Auftreten ein Wesen mit so einer reinen Seele, wie es meine Tochter ist, blendet. Sie war es nämlich, die den Fremden in meinen Palast führte. Es ist auch nicht unverständlich, dass er mit seinen wohlgesetzten Worten meine Frau betörte, die flehte, wir mögen dem rastlos umherstreifenden Zauberer Quartier geben und seine Bitte erfüllen, ihn in seine Heimat zu geleiten. Erstaunlicher ist, dass so erfahrene Kaufleute, wie du sie hier in diesem Saal siehst, mit ihm einen Vertrag über Salzlieferungen schlossen und ihm einen Vorschuss in die Hand gaben. Jetzt kann ich es ja sagen, die vielen goldenen und silbernen Barren habe ich eigenhändig in die Nischen des Schiffes gelegt, damit sie auf dem Weg nicht verloren gehen.«
Alkinoos bedeckte
Weitere Kostenlose Bücher