Die Frauen von Nell Gwynnes
Strickpullover hervor, die wie für einen Jungen gemacht schienen. Nach dem Anziehen öffnete sie eine unauffällige Klappe im Deckel des Schrankkoffers und legte einen Kasten mit einem Dutzend Messingpatronen frei, die in etwa die Grösse von Gewehrmunition hatten. Sie griff nach ihrem Gehstock, tätigte einige Einstellungen daran und lud die Munition in die Kammer, die sich darin geöffnet hatte. Derart ausgestattet huschte Mrs. Corvey aus ihrem Zimmer hinaus in den Hof und durch die Schatten an seiner östlichen Flanke.
Die Tatsache, dass man das Fallgatter heruntergelassen hatte, verursachte ihr Unbehagen. Nach kurzer Untersuchung stellte sich jedoch heraus, dass das eiserne Gitterwerk dafür gebaut worden war, den breitschultrigen Recken von anno dazumal den Eintritt zu verwehren. Mrs. Corvey dagegen, weiblich und in jungen Jahren ständig unterernährt, war klein genug, um sich ohne Schwierigkeiten hindurchzuquetschen. Sie kletterte den Hügel hinunter in den trockenen Burggraben und arbeitete sich in die Gärten vor.
Dort betrat sie einen kurzen Abschnitt ebenen, wenn auch schlecht gepflegten Rasens. Dahinter, dicht am Hügel, befand sich das neue Bauwerk. Mrs. Corvey fragte sich, ob es sich wohl um ein Gewächshaus handeln könne, denn die Nordseite bestand fast komplett aus Fensterglas. Sie umkreiste das Gebäude, fand aber überraschenderweise keine Tür und auch kein Fenster, das den Anschein erweckte, man könne es öffnen.
Mrs. Corvey nahm die Brille ab und fuhr ihre Optik bis ans Glas aus. Das Mondlicht erleuchtete den Innenraum ziemlich gut. Sie entdeckte keinerlei Pflanzen, sondern statt dessen mehrere Tische, auf denen sich diverse Glasgefässe wie aus einem chemischen Labor befanden. Andere Tische hielten Werkzeuge und kleine Maschinen bereit, deren Sinn und Zweck sie nicht erkennen konnte. In einer Ecke befand sich eine dunkle, unförmige Dampfmaschine. In der anderen bemerkte Mrs. Corvey eine Tür und erkannte, dass man das Laboratorium von innen betreten musste, denn die Tür befand sich in der Hauswand, die sich an den Hügel schmiegte. Von dort musste es einen Gang nach oben in den Turm geben.
Mrs. Corvey nickte unwillkürlich und machte sich daran, die Bleieinfassung der Fensterscheiben zu untersuchen. Nahe dem Erdboden fand sie eine Stelle, an der man die Scheibe anscheinend kürzlich ersetzt hatte, da das Blei heller schien. Sie zog eine lange Haarnadel aus ihrem Dutt und kratzte damit das Blei vom Rand der Fensterscheibe. Nach einigen Minuten gewissenhafter Arbeit liess sie das Glasstück aus dem Rahmen herausgleiten und legte es behutsam zur Seite. Es war nicht schwieriger, durch die entstandene Lücke nach drinnen zu klettern, als zuvor durch das Fallgatter zu kommen. Mrs. Corvey amüsierte sich einen Augenblick darüber, dass sie eine ausgezeichnete Einbrecherin abgegeben hätte, wenn das Schicksal sie nicht an den Ort geführt hätte, an dem sie heute stand.
Als nächstes untersuchte sie das Laboratorium ausführlich, merkte sich die Einzelheiten und wünschte sich, Mr. Felmouth würde sich die Mühe machen, eine Kamera zu bauen, die klein genug war, sie bei derartigen Anlässen mitzuführen. Aufzeichnungen, Papiere und Protokollbücher, aus denen sich Hintergründe zu den Maschinen erschliessen lassen könnten, suchte sie vergebens. Danach rückte Mrs. Corvey der Tür mit ihrer Haarnadel zu Leibe und stand einen Augenblick später vor dem pechrabenschwarzen Tunneleingang auf der anderen Seite.
***
Im nachhinein musste Lady Beatrice zugeben, dass die Bettlaken bewundernswert praktische Kostüme für das abendliche Fest abgaben. Im Verlauf ihrer Arbeit war sie mit Eiscreme, Zuckerguss, Kuchenkrümeln, Rosenblättern und verschüttetem Wein besudelt worden. Die letztgenannte Substanz hatte sich allerdings nicht in ekstatischer Ausschweifung über ihren Busen ergossen, sondern als Prinz Nakhimov über den Anblick Sir Georges, der eine der Wackelpudding-Putten komplett hinunterschluckte, derart erschrak, dass er sein Weinglas fallenliess. Sir George hatte das Ereignis mit den süffisanten Worten eingeleitet: „Die verdammte Presse behauptet, ich würde die Babys der Arbeiter zum Frühstück verspeisen. Wollen doch mal sehen, ob ich den Kiefer so weit aufbekomme!“
Lady Beatrice bediente im Laufe der Feierlichkeiten jeden der vier Gäste, da bei allen der Teilungsgedanke, die Damen betreffend, tief verwurzelt war. Lord Rawdon liess sich immerhin zur Fellatio hinreissen, als seine
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