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Die Frauen von Nell Gwynnes

Die Frauen von Nell Gwynnes

Titel: Die Frauen von Nell Gwynnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kage Baker
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Gäste darauf bestanden, dass auch er sich den verfügbaren fleischlichen Freuden hingab, lehnte es aber ab, sich mit jemandem zurückzuziehen, als der lange Abend sich dem Ende neigte. Statt dessen fand sich Lady Beatrice als Beute Prinz Nakhimovs wieder; Ali Pascha nahm Dora mit in sein Bett. Jane wurde forsch und eher geschäftsmässig von Sir George Spiggott mitgenommen, und Maude zog sich am Arm Graf de Mortains zurück.
    In der Einsamkeit seines Schlafgemachs entledigte sich Prinz Nakhimov seiner Kleidungsstücke und erwies sich, was Haarigkeit und Tierhaftigkeit anging, als echter russischer Bär. Die erfordliche Athletik allein war einigermassen anstrengend für Lady Beatrice, und so war sie mehr als nur ein wenig verärgert, als der Prinz nach etwa zwei Stunden Hochleistungssport seine Bettdecke über sich zog, sich von ihr wegdrehte und sagte: „Danke. Sie können gehen.“
    „Soll ich denn nicht hier schlafen?“
    „Shto?“ Der Prinz schaute verblüfft über die Schulter zu ihr. „Hier? Sie? Ich schlafe nie neben – entschuldigen Sie meine Direktheit – Huren.“ Er drehte sich zurück zu seinem Kissen; die sehr verstimmte Lady Beatrice sammelte die klebrigen Reste ihres Kostüms ein und hielt sie vor sich, als sie das Gemach verliess.
    Nun blieb ihr die Wahl, in ihrem – sehr nackten – Zustand nach unten zu gehen und ihren Schrankkoffer zu suchen, einen Morgenmantel anzulegen und sich bis zum Morgengrauen auf einer der Chaiselongues auszuruhen oder eine der übrigen Schlafzimmertüren zu öffnen, um zu schauen, ob eines der anderen Pärchen Platz für eine dritte Person hatte. Da sie sich nach Schlaf sehnte, entschied sich Lady Beatrice für ersteres.
    Sie ging die Stiege hinunter und die Galerie entlang zur grossen Treppe. Ungetrübtes Mondlicht fiel durch die Fenster herein und liess die Farben einiger der Portraits an den Wänden an den entsprechenden Stellen erstrahlen. Lady Beatrice verhielt ihren Schritt, um sie zu mustern. Man erkannte direkt, dass Lord Basmond ein echter Rawdon war – hier reihte sich Gesicht an Gesicht mit denselben strahlenden Augen und den anmutigen Gesichtszügen, ganz zu schweigen von der Aura der Arroganz, die alle Portraitierten umgab. Besonders fiel Lady Beatrice ein Gemälde auf, das das Mondlicht direkt beschien. Es zeigte ein Kind, vermutete sie, eine winzige Schönheit in einem elisabethanischen Kleid. Der breite Spitzenkragen umrahmte das herzförmige Antlitz. Ein silbernes Netz bändigte ihr Haar, das so hell war, dass es fast weiss wirkte. Der Kontrast der dunklen Augen zu der zarten Blässe war überwältigend. „Hellspeth Rawdon, Lady Basmond“, stand auf der Messingplatte unten auf dem Rahmen.
    Lady Beatrice wurde sich der Kälte bewusst und ging weiter. Sie hatte gerade die letzten Portraits passiert, als ihr eine offene Tür auffiel, durch die man die Ecke eines Bettes erahnen konnte. In der Hoffnung auf einen wärmeren Ruheplatz für den Rest der Nacht öffnete Lady Beatrice die Tür ganz und linste hinein.
    Eine einzelne, bereits weit heruntergebrannte Kerze neben der Bettstatt erhellte den Raum notdürftig. Lord Basmond lag – vollständig angekleidet – quer über dem Bett. Seine Augen waren offen und glänzten im Kerzenschein. Lady Beatrice begriff sofort, dass er tot war. Gleichwohl schritt sie über die Schwelle, um ihn sich genauer anzusehen.
    Sein Mund stand in einem stummen Protestschrei weit offen. Man konnte keine Wunden erkennen, aber der unnatürliche Winkel, in dem sich sein Genick befand, zeigte eindeutig, was Lord Basmonds Ableben verursacht hatte. Er konnte nicht länger als zwei Stunden tot sein, aber es schien, als wäre er in dieser kurzen Zeit bereits innerhalb seiner Kleidung zusammengeschrumpft. Er wirkte fragil und mitleid-erregend. Lady Beatrice dachte an die Ahnengalerie, an die lange Reihe der Jahrhunderte, die zu diesem letzten, traurigen, zerbrochenen Geschöpf geführt hatte.
    Lady Beatrice warf einen Blick durch den Raum und suchte nach offensichtlichen Hinweisen, fand aber keine. Dann trat sie zurück in den Gang und stand einen Augenblick in Gedanken da, während sie überlegte, was sie als nächstes tun sollte.

Kapitel 12
    In welchem noch weitere Entdeckungen gemacht werden.

    L ady Beatrice gelangte schnell zu der Erkenntnis, dass sie in ihrem augenblicklichen Zustand der Unbekleidetheit nichts erreichen konnte, und ging daher nach unten in die Küche. Das Feuer war heruntergebrannt, die Platte aber noch sehr

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