Die Frauen von Savannah
die Schale und war wie betäubt.
Aber das Schlimmste daran war: Es war gar nicht mein Geburtstag.
Ich schob diese Erinnerung beiseite und starrte aus dem Fenster in Tante Tooties Garten. Unmengen cremefarbener Blüten wogten über den Rand der gepflasterten Terrasse wie Seifenschaum. Ich dachte an Mrs Odell und daran, wie sehr sie Blumen liebte. Das Nächste, was ich weiß, ist, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Ich presste die Handflächen an die Wangen und versuchte, mich zusammenzureißen, aber ich kam nicht gegen die Lawine von Gefühlen an, die mich überrollte.
Nach Savannah zu kommen, war ein riesengroßer Fehler gewesen. Ich passte nicht hierher, und ich wusste, dass ich das auch nie würde. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen, schluchzte unterdrückt auf und überlegte, was eine Busfahrkarte zurück nach Willoughby wohl kosten mochte. Ich hatte fünfzehn Dollar im Koffer, damit würde ich so weit nach Hause fahren, wie ich kam. Den Rest würde ich notfalls zu Fuß gehen. Ich wusste nicht, wann ich je so verzweifelt gewesen war oder so geweint hatte. Wahrscheinlich noch nie.
Ich zuckte zusammen, als etwas an meinen nackten Arm drückte. Oletta stand neben mir und hielt mir eine Schachtel Kosmetiktücher hin. Ich nahm eins und trocknete mir die Augen.
»Was hast du denn, Kind?«
Ich putzte mir die Nase.
»Alles.«
Sie zog die Augenbrauen weit hoch. »Alles? Das ist ja määächtig viel.«
Ich weiß nicht, was passierte, aber meine Hände fingen an zu zittern und meine Kopfhaut brannte. Irgendetwas in mir löste sich und brach auf. Ich erzählte Oletta von Mommas Einkaufstouren, ihren Wutanfällen, und wie Dad uns im Stich gelassen hatte. Je länger ich redete, desto mehr weinte ich und zog ein Tuch nach dem anderen aus der Box, die sie auf den Tisch gestellt hatte. Ich konnte selbst kaum glauben, was ich ihr alles erzählte.
Was tust du da? Bist du verrückt? Sei still, CeeCee. Halt einfach die Klappe.
Aber mein Mund gehorchte meinem Gehirn nicht mehr, und ich redete einfach immer weiter.
Oletta bekam Kulleraugen, als sie meiner tränenreichen Geschichte lauschte. Sie sagte kein Wort. Sie zog sich einen Stuhl heran und ließ sich mit einem müde klingenden Ächzen darauf sinken.
»Keiner konnte mich leiden«, murmelte ich in einen durchweichten Taschentuchklumpen. »Die einzige Freundin, die ich je hatte, war Mrs Odell. Und jetzt werde ich sie nie wiedersehen.«
Als ich mich schließlich wieder unter Kontrolle bekam und merkte, dass ich mich komplett entblößt hatte, klappte ich den Mund zu und sah auf meine Hände hinunter. Am liebsten wäre ich in ein Mauseloch gekrochen und gestorben.
»Tut mir leid«, flüsterte ich.
Oletta griff über mich hinweg und hob den Deckel vom Haferbrei. »Iss mal dein Frühstück, wird sonst kalt.«
Mein Magen war ein einziger Klumpen, aber ich wollte sie nicht ärgern, indem ich das Frühstück nicht aß, das sie mir gemacht hatte. Halbherzig tauchte ich den Löffel in den Haferbrei, und als er meine Zunge berührte, erwachten ganz plötzlich meine Geschmacksknospen.
Oletta streute mir etwas braunen Zucker auf den Haferbrei, gefolgt von ein paar dicken Beeren. Sie wandte den Blick nicht von mir, während ich die gesamte Schüssel leer aß und ein Glas Orangensaft trank. Ich hatte das dumme Gefühl, dass Oletta mich ganz schnell durchschaut hatte, und ich war sicher, sie fand mich erbärmlich.
»Miz Tootie hatte es eilig. Ich habe gar nicht mitbekommen, wie du heißt.«
»Ich heiße CeeCee. CeeCee Honeycutt«, sagte ich und nahm die Zimtschnecke vom Teller. Ich biss hinein und stieß unwillkürlich ein wohliges Grunzen aus. Sie war das Leckerste, was ich je gegessen hatte. In meinen Adern explodierte der Zucker, und mit dem Mund voller zuckriger, buttriger Süße musste ich nervös lachen und gleich wieder weinen. »Ich bin die Tochter der Zwiebelkönigin von Vidalia 1951.«
Oletta klatschte sich die Hände auf die Oberschenkel. »Du lieber Gott im Himmel. Was fürn verrücktes Leben. Hm, hm, hm. Kein Wunder kannst du nicht mehr aufhörn zu weinen.« Sie presste die Lippen zusammen und schaute mich so intensiv an, dass mir ganz kalt wurde. Es war nicht zu übersehen, dass sie jede Menge Fragen hatte. »Wie alt bist du, Kind?«
»Zwölf.«
»Zwölf? Für zwölf bist du aber klein. Ich dachte, du bist neun oder zehn. Du bist ja nur Haut und Knochen.« Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schüttelte den Kopf. »Und dein Daddy wollte nichts mit
Weitere Kostenlose Bücher