Die Frauen von Savannah
herum.
Ich legte meine Hand auf die Taschenlampe und richtete sie auf das andere Ende des Gartens. »Da hinten. Siehst du?«
Oletta grummelte. »Da pass ich doch nicht durch.«
Ich schob sie voran. »Doch, passt du. Das wird schon gehen.«
Na ja, die arme Oletta zerkratzte sich die nackten Arme, aber am Ende passte sie doch irgendwie durch. Wir gingen über Miz Hobbs’ Rasen und auf die gepflasterte Terrasse, die den Pool umrandete. Oletta kickte ihre Schuhe weg und flüsterte: »Dreh dich um, ich zieh mein Kleid aus und geh schon mal rein. Ich will erst mal sehen, wie tief das ist.«
»Kann ich meinen Schlafanzug ausziehen?«, fragte ich.
»Sonst wär’s ja kein Nacktbaden.«
Während ich mir noch den Schlafanzug auszog, hörte ich sie schon planschen.
»Aaah, das Wasser ist genau richtig. Okay, komm rein. Halt dich an dem Geländer da fest und komm ganz langsam die Stufen runter. Ich bin hier.«
Ich hüpfte über die warmen Bodenfliesen und trat ins Wasser.
»Hier, Kind, nimm meine Hand.«
Das Wasser schlug mir an die nackte Brust, und ich bekam Gänsehaut. Ich musste kichern, als wir von einer Seite des Pools auf die andere gingen und auf und ab hüpften wie zwei glückliche Korken. Oletta hielt meine Hand fest, und ich hatte überhaupt keine Angst. Ich tauchte das Gesicht ins Wasser, und bald paddelte ich von ganz allein wie ein Hund.
Als ich erschöpft war, lehnten wir uns an den Beckenrand und schauten in den Himmel. Die Sterne wirkten zum Greifen nah, und ich hätte gern den hellsten gepflückt und ihn Oletta geschenkt. Ich wollte ihr sagen, wie lieb ich sie habe. Ich wollte die Worte auf der Zunge spüren und sie in die Nachtluft hinaus singen. Und vor allem wollte ich hören, dass sie mich auch lieb hat.
In Gedanken übte ich die Worte immer und immer wieder: Ich hab dich lieb, Oletta. Ich hab dich lieb. Aber als ich meinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, purzelten plötzlich ganz andere Worte aus mir heraus: »Oletta, wenn wir beide Kinder gewesen wären, als wir uns kennenlernten, hättest du mich dann gemocht?«
Die Frage schien sie genauso zu überraschen wie mich. Trotz der Dunkelheit konnte ich sehen, dass ihre Fältchen um die Augen tiefer wurden, als sie lächelte: »Oh ja, ich hätte dich bestimmt gemocht, aber wahrscheinlich hätte ich auch ein bisschen Angst vor dir gehabt.«
»Angst? Warum das denn?«
»Weil du so klug und hübsch bist. Kann ganz schön schwierig werden, wenn das beides zusammenkommt.«
Meine Stimmte quietschte, als ich nachfragte. »Hübsch?«
»Hat dir das noch nie wer gesagt? Deine Haut und deine Augen sind die hübschesten, die ich je gesehn hab.«
Ich berührte meine Wange mit den Fingerspitzen.
»Oletta, wie warst du, als du so alt warst wie ich?«
Sie lehnte sich zurück und sagte: »Als ich so alt war wie du, hatte ich jede Menge Träume. Meine Mutter hat immer gesagt, wenn sie für jeden Traum von mir einen Tropfen Wasser hätte, würden wir auf einem Hausboot mitten in einem klaren blauen See wohnen. Ich hab gerne genäht und hatte Flausen im Kopf, dass ich Hochzeitskleider nähen will. Wie ich dreizehn war, konnte ich schon ungefähr alles nähen. Weihnachten 1920 werd ich nie vergessen. Meine liebe Momma ist losgezogen und hat mir ’ne gebrauchte Nähmaschine gekauft, so eine mit Fußantrieb. Ich hab sie sauber gemacht und gut geölt. Gott, ich hab die Maschine so flott laufen lassen, dass sie Wind gemacht hat. Und dann hab ich’s mir anders überlegt und wollte Gospelsängerin werden. Ich stand auf der Veranda und hab beim Bügeln aus voller Kehle gesungen.«
»Warst du im Schulchor?«
»Wie ich klein war, schon, aber wie mein Pappy gestorben ist, musste meine Momma arbeiten gehen. Da hab ich mit der Schule aufgehört und zu Hause auf meine Schwestern aufgepasst.« Oletta spielte mit den Füßen im Wasser und sah in den Himmel auf. »Aber wenn man richtig hinguckt, ist in allem auch ein Segen. Deswegen kann ich so gut kochen. Ich hab mein ganzes Leben in der Küche gearbeitet. Manchmal wünsch ich mir, ich hätte die Schule zu Ende gemacht, aber Selbstmitleid hat ja auch keinen Zweck. So ist das Leben eben. Wie ich siebzehn war, hab ich Arbeit als Köchin in ’nem Restaurant gekriegt. Da hab ich jahrelang gearbeitet.
Dann hab ich eines Tages gehört, dass eine Dame in der Gaston Street ’ne Köchin sucht. Da hab ich noch mal nachgefragt und rausgekriegt, in welchem Haus sie wohnt, und dann hab ich beschlossen, dass ich die Stelle
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