Die Frauen
jeder anderen Zeit, und er taxierte mich. Kritisch. Ich wurde ganz klein.
»Und der Konsum von alkoholischen Getränken.« Er hielt inne und tastete nach seinem Stock, ohne den Blick von mir zu lösen. »Der Alkoholismus - und glauben Sie mir, ich habe das im Baugewerbe oft genug beobachtet - ist eine tödliche Krankheit, ein Übel, ein Laster. Er zerstört die Menschen, Tadashi« - er hatte angefangen, mit dem Stock auf die Zypressenholzdielen zu klopfen, wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen -, »und zwar unabängig von Status oder Rasse oder sonstigen Eigenschaften, die einen Mann vom anderen unterscheiden. Oder eine Frau von der anderen. Wobei dieses Laster beim Mann stärker ausgeprägt ist als bei der Frau.«
Ich begann zu protestieren. »Aber Wrieto-San, Sie kennen mich jetzt seit über einem Jahr. Sie haben gesehen, wie ich arbeite. Gerade Sie müssten doch nun am besten wissen, dass ich kein Alkoholiker bin -«
»Dass Sie es leugnen, ist das erste Anzeichen. Die Trunksucht hat Sie in den Klauen, Tadashi, und ich habe von Mrs. Wright erfahren, dass Sie auch andere vom rechten Weg abbringen. Diese Geschichte gestern nacht - ein solches Verhalten können wir hier in Taliesin nicht dulden. Es besudelt uns. Es lässt uns hier auf dem Land, wo körperliche Ertüchtigung und einfache Kost völlig ausreichen sollten, um uns in Gang zu halten, wie Schwindler erscheinen.«
»Aber -«
»Und dann die Frauen, Tadashi. Die Ehe ist eine ernste Angelegenheit, und ich finde wirklich, dass Sie noch zu jung und unreif sind, um an solch eine Bindung, die von so ... nun, so wesentlicher Bedeutung ist, auch nur zu denken, ganz zu schweigen von der betreffenden jungen Frau, deren Neigungen und Bestrebungen aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds womöglich das Gegenteil dessen sind, was Sie erwarten. Wie sagt man doch in Ihrem Land? >Eine Frau sollte in ihrer Jugend ihrem Vater gehorchen, als Erwachsene ihrem Gatten und im Alter ihrem Sohn.<«Er hielt inne und richtete den Blick auf Gene, wie um ihn ebenfalls zu warnen. Der Stock klopfte stetig weiter. »Es ist Ihnen doch wohl bekannt, dass Miss Harnett eine Studentin der schönen Künste ist, die hierher eingeladen wurde, um sich mit Bildhauerei, Textilien und Malerei zu befassen und natürlich um von der positiven Wirkung lebendiger Architektur zu profitieren? Dass sie ein unabhängiger Geist ist, ja ein Hitzkopf - sogar ein bisschen wild -, und dass ihr Vater, ein Arzt, sich bereit erklärt hat, ihr Schulgeld zu bezahlen, weil er der Ansicht war, dass ihr ein Tapetenwechsel guttun würde? Drücke ich mich klar aus?«
Ich sagte nichts. Mein Gesicht war rot angelaufen. Am liebsten hätte ich laut aufgelacht, mit dem Kopf gerollt und gebrüllt: »Daisy Hartnett? Aber das ist doch völlig verrückt!« Ich hatte sie gerade erst kennengelernt - zu diesem Zeitpunkt wusste ich erst seit gut vierundzwanzig Stunden überhaupt von ihrer Existenz -, und Wrieto-San redete von Ehe!
Er war jetzt ganz nüchtern, und das beherrschende Element seines Gesichts waren seine missbilligend geschürzten Lippen. »Sexuelle Angelegenheiten«, sagte er. »Intimitäten. All das, was allein dem Ehestand vorbehalten sein sollte - deshalb ist sie hier. Das ist die Last, die sie trägt. Und wir wollen sie ihr nicht noch schwerer machen.«
»Ich habe doch bloß - bei allem Respekt, Wrieto-San, aber ich habe sie doch gerade erst kennengelernt. Und ich will ja gar nicht ... Ich wusste nicht, dass ... Was ist denn mit der Kollegialität? Einer für alle und -«
»Tadashi, es tut mir sehr leid, das sagen zu müssen« - er wandte sich von mir ab, nahm den Entwurf des Briefes und tat so, als inspizierte er ihn -, »aber Sie sind entlassen. Bitte packen Sie Ihre Sachen.« Und dann, um den Schlag etwas abzumildern: »Ich fürchte, mehr gibt es nicht zu sagen.«
Es gibt Momente im Leben, da fühlt man sich hohl wie ein Schilfrohr, da wird das eigene Selbst mit einem Schlag ausgelöscht, und alles, was man je erreicht, erhofft und geliebt hat, ist auf einen Streich dahin. So ging es mir im Dezember 1941, als im Radio der Angriff auf Pearl Harbor gemeldet wurde, und dann wieder 1950, als ich in Paris lebte und ein Mann mit Schnauzbart und Mütze keuchend drei Stockwerke heraufgestiegen kam, um mir das Telegramm zu überreichen, das mich vom Tod meines Vaters unterrichtete. Und auch an jenem Tag erging es mir so, hatte ich dieses Gefühl einer jähen, brutalen Vernichtung meines hara, so wie es bei Tojos
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