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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Details einging, bis hin zur Herkunft des für die Regenrinnen verwendeten Kupfers, bevor er hineinmarschierte, als gehörte das alles ihm allein, und drinnen weitermachte.
    Während die Bewohner geduldig dastanden und sich anhörten, wie er den Stil und die Plazierung der Möbel kritisierte oder irgendein Element seines Entwurfs nicht gebührend gewürdigt fand, wandte er den Blick nicht von ihr. Und trotz der Kälte, trotz ihrer schmerzenden Füße, trotz der Belastung durch die Tatsache, dass sie bei wildfremden Leuten ins Haus platzten, die sie wie eine Mischung aus Gefangener und Eindringling betrachteten, ließ sein bewundernder, schmachtender und unverhüllt lüsterner Blick sie erglühen.
    Als Weihnachten näher rückte und Norma begann, Stechpalmenzweige wahllos in der Wohnung zu verteilen und in der Küche Weihnachtslieder zu trällern (klanglos und falsch, denn leider hatte sie das musikalische Talent ihrer Mutter offenbar nicht geerbt, dabei hatte sie als Schulmädchen so hübsch »Frère Jacques« gesungen - oder war das Corinne gewesen?*), wurden Franks Bemühungen immer drängender. Es gab natürlich Partys. Überall Partys. Jeden Tag, jede Nacht. In prächtigen Häusern, Galerien und Theatern mit prächtigem Weihnachtsschmuck und farbigen Dienern, die Tabletts voller Gläser und Delikatessen umhertrugen, und die ganze haute monde von Chicago mit ihren Pelzen und Juwelen und teuren Kleidern fand sich ein. Frank wurde zur Verkörperung des guten Geistes der Weihnachtszeit und machte sein innenarchitektonisches Genie zu einem Füllhorn, aus dem er zahlreiche Weihnachtsdekorationen und übermenschliche Fröhlichkeit und Zuversicht zauberte, und er führte sie an seinem Arm herum, als wäre sie der kostbarste Schatz von allen.
    »Du bist mein Juwel«, sagte er und küsste sie auf den Mund, drückte sich an sie, bis sie die harte Stelle an seinem Körper spürte - und sie entwand sich ihm, so vorsichtig sie konnte, ohne seinen Eifer ganz zu dämpfen, und nannte ihn einen garstigen Jungen oder einen Ziegenbock und was derlei kindliche Bezeichnungen noch mehr waren. Aber er bedrängte sie wieder und wieder, bis sie glaubte, von der Hitze ihres eigenen Verlangens zu zerspringen. Er würde sie haben, und sie würde ihn haben - bald, bald.
     
    * Miriams zweite Tochter. Sie hatte noch einen Sohn, Thomas, der eine Art Handelsreisender war und keine Zeit zu haben schien, seine Mutter zu besuchen. Oder keine Lust.
     
    Dennoch wusste sie nicht, was sie erwarten sollte, als er sie am Heiligabend in sein Haus einlud. Würden seine erwachsenen Kinder dort sein? Seine Frau? Seine Mutter? Die komische kleine Haushälterin mit dem Hörrohr, von der er ihr so viel erzählt hatte? Seine Freunde und Geschäftspartner? Die Nachbarn? Oder würden nur sie beide dasein, in einer leidenschaftlichen Umarmung, als gäbe es keine anderen Verpflichtungen gegenüber der Welt?
    Es war bereits dunkel, als das Taxi vor dem Haus hielt. Es war ein kleines Haus, bescheiden und ordentlich, hier lebte er im Exil, nachdem er das Haus in Oak Park seiner Frau überlassen hatte und sein Anwesen in Wisconsin zur Ruine geworden war, und wenn sie etwas Größeres erwartet hatte, ein Gebäude, das seiner Schönheit und Weisheit und Größe entsprach, so verbarg sie ihre Enttäuschung. Dies war vorläufig.
    Das konnte sie verstehen. Auch ihr Leben war vorläufig, und bei diesem Gedanken verspürte sie ein heftiges Aufwallen von Gefühlen für ihn: Sie waren beide Exilanten, und das Schicksal hatte sie zusammengeführt, damit sie einander trösteten. Gab es etwas Vollkommeneres? Etwas Herrlicheres?
    Erfüllt von Hoffnung und Liebe - geschwollen, ja -, ging sie mit raschen Schritten zum Eingang und achtete dabei auf überfrorene Stellen, denn es wäre nicht gut, jetzt zu stürzen und sich den Knöchel zu verstauchen, obwohl auch das seine Vorteile hätte: ihr Bein vorsichtig hochgelagert vor dem Kamin, Frank, der ihr eine Bandage anlegte, ein Glas Champagner, seine Finger, die sie massierten, ihre Wade hinauf- und hinunterglitten, streichelnd, tastend, liebkosend ... Doch da war er, die Tür flog auf, eine Flut von Licht, er trug eine Smokingjacke aus schwarzem Samt und eine chinesische Hose, und im Gegenlicht war sein Haar wie die Gloriole eines Engels. »Miriam«, rief er, »meine Liebe, meine Liebste, mein Juwel, komm, lass mich ... «
    Das Kaminfeuer loderte auf. Überall standen Vasen mit blutroten Rosen. Ein bronzener Buddha. Die Lampen, die er

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