Die Frauen
Laune an ihr ausgelassen. Doch jetzt saß er im Bett, auf dem er Bücher und Unterlagen ausgebreitet hatte, und pfiff eine seiner Tanzmelodien vor sich hin.
»Du siehst ja schon sehr viel munterer aus«, sagte sie, legte ihren Umhang ab und hängte ihn über eine Stuhllehne.
Er gab keine Antwort und fuhr einfach fort zu pfeifen.
»Ich habe ein entzückendes Tischchen gekauft« - sie erzählte ihm lieber nichts von dem Bodhisattva, denn sie wusste, dass er sich nur aufregen, den allerkleinsten Makel kritisieren und ihr Vorwürfe wegen des Preises machen würde, ganz gleich, was sie dafür bezahlt hatte - »und außerdem einen Wandschirm, den ich einfach ... Was riecht hier so? Ist das Parfüm?«
Das Pfeifen verstummte abrupt.
Neben dem Bett stand ein Tablett mit zwei Teetassen, englischem Gebäck und mochi. »Und was ist das? Konntest du mit dem Tee nicht auf mich warten?«
Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln, das sogleich wieder verschwand. Sie sah, dass sein Haar sorgfältig gekämmt war und dass er seinen besten Morgenrock und ein Hemd mit steifem Kragen trug. Und eine Krawatte. »Ach ja«, sagte er, als wäre es ihm gerade erst eingefallen, »Olga ist vorbeigekommen, um zu sehen, wie es mir geht, und wir -«
»Olga?« wiederholte sie.*
* Wieder einmal erscheinen die Ironien, die in Wrieto-Sans Leben und Beziehungen wirkten, surreal, ja geradezu kosmisch: Diese Olga war die Vorläuferin der Olga, die etwa fünf Jahre später zu Miriams bête noire werden sollte.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Badezimmer, und Madame Krynska - La Krynska, Olga - erschien, in der Hand einen Waschlappen. »Oh, Miriam«, flötete sie. »Ich wusste gar nicht, dass Sie wieder da sind. Wie schön, Sie zu sehen.« Und sie ging durch das Schlafzimmer, als wäre sie zu Hause in ihrer polnischen Bruchbude, und legte Frank den feuchten Lappen auf die Stirn, wie sie es an jenem Tag auf dem Land getan hatte. »Ist es nicht wunderbar, wie gut er wieder aussieht?« sagte sie und sah über die Schulter zu Miriam, während ihre hübsche kleine, manikürte Hand auf Franks Stirn lag und er aussah wie ein Spitz, der sich den Bauch mit gehackter Leber vollgeschlagen hat.
Miriam war wie vom Donner gerührt. Der Mund stand ihr offen. Angesichts der Dreistigkeit dieser Frau - und der Dreistigkeit von Frank, diesem Lügner, diesem Betrüger, diesem Schürzenjäger - war sie so vor den Kopf geschlagen, dass sie kein Wort herausbrachte.
»So«, sagte La Krynska liebevoll, und das gelbe Haar umrahmte ihren Kopf wie ein unnatürliches Gewächs, wie ein Pelz, den man ihr über den gelben polnischen Augenbrauen an den Kopf geklebt hatte, »ist das nicht schon viel besser?«
In Miriams Zimmer, in der Schublade, in der sie ihre Pravaz aufbewahrte, lag - gleich neben dem Etui - eine Pistole. Es war ein glänzendes kleines Ding, das nur zwei Patronen fasste und das sie in Albuquerque gekauft hatte, am Tag ihrer Ankunft, als sie niedergeschlagen gewesen war. Sie hätte nicht sagen können, warum sie sich die Waffe angeschafft hatte - sie hatte keine Selbstmordgedanken gehabt, nein, keineswegs, kein Mann konnte bewirken, dass sie sich auf ein derart niedriges Niveau hinabbegab, nicht einmal der großmächtige Frank Lloyd Wright -, aber sie griffbereit zu haben, in der Schreibtischschublade oder Handtasche, vermittelte ihr ein Gefühl der Sicherheit, ein Gefühl der Macht, für den Notfall. Sie hatte nie einen Schuss abgefeuert. Sie hatte nie auch nur daran gedacht. Bis jetzt.
»Miriam«, rief Frank in einem Ton, der an ein verwöhntes Hündchen denken ließ. Es war ein süßlicher Ton, falsch und unreif. »Setz dich doch zu uns. Der Tee ist noch warm.«
Doch sie war bereits zur Tür hinaus, sie ging durch den Korridor in ihr Zimmer, zu ihrer Schublade. Sie war ganz ruhig. Sie steckte den Schlüssel in das Schloss, zog die Schublade auf und sah die Pravaz und daneben die Pistole. Ihre Hand zitterte nicht wie sonst manchmal, wenn sie sich aufgeregt hatte und eine Spritze brauchte, um sich zu beruhigen. Die Pistole - man nannte sie Derringer, und sie hatte in Paris Frauen gekannt, die so etwas ganz selbstverständlich in ihrer Handtasche mit sich herumtrugen - fühlte sich kühl an, als wäre das glänzende Nickel, mit dem sie überzogen war, soeben erst aus der Erde ans Tageslicht gefördert worden. Sie nahm sie in die Hand und ging zurück in Franks Schlafzimmer, wo alles an seinem Platz war, seine Holzschnitte und Teppiche und
Weitere Kostenlose Bücher