Die Frauen
Nachdem das Dienstmädchen das Tablett abgeräumt hatte, begab sie sich in die kleine, aus Bambusholz gebaute Kabine vor dem Bad und schrubbte sich noch einmal ab. Dabei betrachtete sie sich in dem mannshohen Spiegel, strich mit beiden Händen langsam über ihre Brüste und zwischen den Beinen hindurch zum Gesäß, hob sogar erst den einen Fuß, dann den anderen, und fuhr mit dem Waschlappen langsam und genüsslich wie ein Schuhputzer über die Sohlen und zwischen die Zehen, und als sie durch die Tür in das mit Natursteinen geflieste Bad trat, fühlte sie sich so rein, so majestätisch wie die Kaiserin persönlich.
Zwei alte Männer und eine dritte Person, bei der es sich um eine Frau zu handeln schien, saßen im dampfenden Wasser. Nur ihre Köpfe und die knochigen, nassen Schultern waren zu sehen. Es gab Töpfe mit Blumen und Farnen. Papierlampions. Miriam erschauerte und fragte sich, ob es im kaiserlichen Palast ebenso kühl war wie auf diesen winterlich kalten Steinen. Dann ließ sie sich ins Wasser gleiten, wobei die alten Männer und die Frau betont die Blicke abwendeten. Es war himmlisch. Als sie die Augen wieder öffnete, war sie allein im Wasser, die Lampions verbreiteten ein schummriges Licht, und das Dienstmädchen hielt ihr den Morgenmantel hin und murmelte etwas auf japanisch, das so schön klang wie das Wispern der Kirschblüten im Wind. Und dann lag sie in ihrem Zimmer zugedeckt auf dem Futon, und der Regen trommelte mit tausend Fingern auf das Dach.
Es folgten Tage, in denen sie nur das Mädchen und die stummen, verschreckten Mitbenutzer des Bades sah, und ja, sie musterten sie mit verstohlenen Blicken aus den Augenwinkeln, wenn sie nackt über die Steine schritt. Sollten sie doch, sollten sie sie doch sehen, wie sie war - sie hatte nichts zu verbergen. Das Bad war ein Wunder. Sie lag stundenlang träumend im Wasser, bis ihr Körper sich so schlaff anfühlte, als hätte sich das Fleisch von den Knochen gelöst. Es regnete ununterbrochen, Tag und Nacht. Sie hielt ihre Pravaz griffbereit. Sie aß gebratenen Reis, gekochten Reis, Reis mit Lachs und Kabeljaurogen, udon-Nudeln und Tofu-Spießchen. Sie trank schwarzen Tee. Sake. Und schließlich eine Flasche guten Scotch Whisky, die das Mädchen ihr brachte. Gab es in dieser kleinen Stadt eine Apotheke? Es gab eine. Miriam schickte das Dienstmädchen mit einem leeren Fläschchen Morphinsulfat-Tabletten hin, und es kehrte mit einem vollen Fläschchen zurück.
Und wenn sie die Energie aufbrachte und den Wunsch danach wecken konnte, setzte sie sich an den niedrigen Mahagonitisch in ihrem Zimmer und schrieb auf dem dünnen, welligen Reispapier, das das Mädchen für sie auf die Truhe im Nebenraum gelegt hatte, Briefe an Frank. Es waren zornige Briefe, erfüllt von dem Ärger und Hass der Vergangenheit und Gegenwart - die Krynska, wie konnte er nur? -, doch zugleich auch sentimental. Sie schwangen sich auf den Flügeln der Poesie in den Himmel, um ihm die fordernde Kraft ihrer Liebe vor Augen zu führen, die heilige Verbindung, die zwischen ihnen bestand und die all seine Perfidie, seine Verdorbenheit, seine widerwärtige, ekelhafte Schürzenjägerei nicht zerstören konnte. Das Schreiben strengte sie an. Deprimierte sie. Der Regen fiel. Und das Dienstmädchen, dieses hübsche, perfekte, mit einem Kimono bekleidete, sich verbeugende Werkzeug ihres Willens, brachte die Briefe zum Postamt und schickte sie ab.
Innerhalb einer Woche war Franks Antwort da. Miriam kam aus dem Bad, und da lag der Brief auf dem Mahagonitisch neben einer Fingerschale und einer einzelnen Lilie in einer schlanken weißen Vase. Das erste, was sie bemerkte, war die Kunstfertigkeit, mit der er den Brief adressiert hatte: Er hatte keinen Stift, sondern einen Pinsel benutzt, und seine kanji waren so makellos und elegant wie die eines buddhistischen Meisters oder eines Shinto-Priesters. Das rührte sie. Sie stellte sich vor, wie er an seinem Zeichentisch saß, in der Hand seinen besten Pinsel, auf dem Gesicht einen Ausdruck äußerster Konzentration, wie er den Pinsel in das Gefäß mit dem Tintenstein tauchte und sein Genie einsetzte, um etwas Schönes zu erschaffen. Noch bevor sie den Brief las, die neun Seiten voller Entschuldigungen, Reuebekundungen und inständiger Bitten - er war im Unrecht, ein egoistischer, gedankenloser, gewissenloser Schwindler, der sich nahm, was er wollte, ohne an die Konsequenzen zu denken, doch vielleicht konnte sie ihm noch einmal vergeben, denn die Krynska
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