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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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glücklich wie nur je.
    Dann erhob sich auf Wrieto-Sans Zeichen einer der Schüler und begann, einen Jig auf seiner Violine zu spielen, während zugleich Wes und ein paar andere aus der Schenke gestürmt kamen, riesige Behälter mit einer Flüssigkeit in den Armen, die ich im ersten Moment - naiv, vergesslich, durstig - für Bier hielt. Doch es war kein Bier. Es war Kerosin. Verwundert sah ich zu, wie sie die Behälter rund um das Fundament der Schenke ausleerten, so dass schimmernde Lachen entstanden. Drinnen hatten sie ihr Werk bereits getan. Der Geruch stieg uns in die Nase, giftig, chemisch, antizipatorisch. Die Violine klagte, sang in den höchsten Lagen. Ringsum klopften Leute mit den Füßen den Takt, hier wippte ein Knie, dort trommelten Finger, doch alle blieben sitzen, bis Wrieto-San aufstand. Ganz langsam, mit einem Nicken in Mrs. Wrights Richtung, erhob er sich und ging zum Grillfeuer. Er bückte sich, um ein Stück Holz herauszuziehen, dann schlenderte er gemächlich, als machte er einen Spaziergang, durch das kniehohe Gras zur Schenke und warf den brennenden Ast in die Kerosinlache auf den Stufen zur Eingangstür.
    Es war bemerkenswert, wie schnell dieses hölzerne Gebäude brannte - die Flammen rasten die Wände zum Dach hinauf wie eine Horde freigelassener Wildtiere, ein Schwarm nagender Wesen mit leuchtenden Zähnen. Binnen Minuten gingen die hüpfenden Klänge der Violine (oder wohl eher Fiedel) im Tosen des Feuers unter, seinem Knistern und Brausen. Streben brachen zusammen, im Innern des Hauses explodierten Flaschen wie Bomben im Krieg - und es war ein Krieg, Wrieto-Sans Krieg gegen die Zecher, Taugenichtse und Bauerntölpel, die immer wieder herbeigelaufen waren, um tatenlos zuzusehen, wie Taliesin brannte und abermals brannte in seinem ewigen Kreislauf der Erneuerung und Einäscherung, und da kamen sie auch schon, mit verzerrten Gesichtern spurteten sie durch das Unkraut, sprangen aus ihren Autos, und ihr Geschrei hing in der Luft. Die Fiedel kratzte. Das Feuer tobte.
    Bald hatte das Haus kein Dach mehr, und wenig später war sein Skelett, die Struktur, die es am Leben erhalten hatte, nur mehr ein feuriges Röntgenbild seines Innern. Der Himmel verdunkelte sich, die Flammen loderten, und Wrieto-San stand da und schaute zu, sein Gesicht erleuchtet, sein Stock in ständiger Auf-und-ab-Bewegung, bis es schwarze Nacht war, die Sterne funkelten und das, was einst errichtet, zusammengefügt, gezimmert worden war, sich in Glut verwandelt hatte.

Kapitel 1
    EINE SCHWÄCHE FÜR FRAUEN
     
    Kitty saß auf dem vertrauten Sofa mit der harten Lehne, das vor dem aus flachen Ziegeln gemauerten Kamin stand, im Wohnzimmer des Hauses, das ihr so vertraut war, als wäre es ihr eigenes, was es natürlich nicht war. Es war Mamahs* Haus. Und Edwins. Oder vielleicht sollte sie es Franks Haus nennen, da die von ihm gestalteten Zimmer einander so glichen, dass es war, als lebte er in Hunderten Räumen zugleich, Räumen, die über das ganze Land verteilt sein mochten, in der Architektur seines Geistes jedoch irgendwie ein Kontinuum darstellten. Es war Franks Haus, ganz klar, ebenso wie das Haus, das sie gemeinsam bewohnten, seines war. Alles gehörte ihm. Er drückte allem seinen Stempel auf, seien es leblose Dinge oder Menschen: ihr, seiner eigenen Frau, ebenso wie Mamah und Mrs. Darwin Martin und allen anderen Frauen, die in sein Visier gerieten. Er war sogar so weit gegangen, ihre Kleider zu entwerfen, so wie er Kittys Kleid entworfen hatte, und bis zu diesem Augenblick an einem bedrückenden, trostlosen Winternachmittag in Oak Park hatte sie das nie seltsam oder außergewöhnlich oder auch nur bemerkenswert gefunden. Es war eben so, wie es war. Wie Frank war.
     
    * sprich: Meimah - obwohl die Assoziation mit dem weicheren, elementareren »Mama« angesichts von Wrieto-Sans tieferen Bedürfnissen und dem, was die Zukunft unvermeidlich bringen würde, für jeden Freudianer natürlich unwiderstehlich ist.
     
    Und nun saß sie da und sah zu, wie das Feuer seine geschmeidigen Finger um das Scheit auf dem Kaminbock schloss, hörte es auch, hörte außerdem, dass der Schneeregen alle Geräusche in der Nachbarschaft verstummen ließ und die kleine Martha in ihrem Kinderbett ein Stockwerk unter ihr leise vor sich hin murmelte. Es war sehr still. Auf einem niedrigen Tisch vor dem Kamin stand Teegeschirr, das jedoch niemand angerührt hatte. Mamah saß ihr gegenüber auf der Kante des Sessels und bemühte sich, sie nicht

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