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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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platzen. Als sie in Berlin eintrafen, war er wieder ganz der alte. Er stolzierte, den Gehstock schwenkend, an ihrer Seite, sein Umhang bauschte sich in einer selbsterzeugten Brise, und als sie in die Halle des Hotels Adlon traten, drehten sich alle nach ihm um, als wäre der Reichskanzler persönlich erschienen. Gefolgt von ihr ging er zur Rezeption, drehte mit schwungvoller Gebärde das Anmeldebuch um und trug in seiner kraftvollen, geometrischen Schrift und ohne einen Augenblick zu zögern ein: Frank Lloyd Wright und Gemahlin.

Kapitel 3
    DER INBEGRIFF DER EHRENHAFTIGKEIT
     
    Dass eines der Kinder an die Tür ging - ausgerechnet Catherine, eifrig und bereits mit der Haltung einer jungen Dame, Catherine, die gute Nachrichten erwartete, einen Brief von ihrem Vater, ein Päckchen mit einer Bestellung, eine Schulfreundin, mit der sie stundenlang über die Jungen reden konnte -, machte die Sache nur noch schlimmer.
    »Mama«, rief sie und ging durch das Haus zur Küche, »Mama, da ist ein Mann an der Tür. Er sagt, er kommt von der Tribune.«
    Sie war dabei, das Abendessen zu kochen: Sie begoss den Braten, stampfte Kartoffeln, schälte Zwiebeln und Karotten, ging zwischen Eisschrank, Spüle und Herd hin und her.
    Und sie trug Hauskleid und Schürze und hatte hastig das Haar aufgesteckt, damit es ihr nicht ins Gesicht hing. Sie erwartete keinen Besuch. Gewiss keinen Fremden. Und ganz gewiss keinen Mann von der Zeitung.
    »Was will er denn? Er kommt doch hoffentlich nicht wegen des Abonnements.« Und dann, wie zu sich selbst: »Sind wir damit auch im Rückstand?«
    Catherine stand in der Tür und sah sie fragend an. Sie zuckte die Achseln. »Hat er nicht gesagt.«
    Kitty sah sie für einen langen Augenblick an. Ihre Tochter lehnte am Türrahmen, unbekümmert, hübsch, mit den Augen ihrer Mutter und der Statur ihres Vaters. Sie trug noch die Schuluniform und hatte das Haar mit einem Band zusammengebunden, und das Medaillon an ihrem Hals fing den letzten Sonnenstrahl ein, der durch das Fenster fiel. Catherine war fünfzehn, beinahe sechzehn - fast so alt wie sie selbst, als sie Frank kennengelernt hatte. Dieser Gedanke ließ sie einen Moment innehalten und machte sie nostalgisch und fürsorglich zugleich. Und dann schrillte der Name Frank in ihrem Kopf wie eine Alarmglocke. Ging es um Frank? War irgend etwas mit Frank?
    Der Mann war über die Schwelle getreten und wartete in der Eingangshalle. Er war Ende Zwanzig, Anfang Dreißig, trug einen schlechtsitzenden Anzug mit einer Art Karomuster, und seine Krawatte war nachlässig gebunden. Er sah sie mit dem Lächeln eines kleinen Kindes an, das ein wertvolles Geschenk erhalten hat. »Mrs. Wright?« fragte er.
    »Ja«, antwortete sie und musterte ihn fragend. Und obwohl sie ahnte, dass ihr das, was er zu sagen hatte, nicht willkommen sein würde - sie sah es in seinem Blick, der Überlegenheit verriet, als wüsste er etwas, was sie nicht wusste -, hörte sie sich sagen: »Möchten Sie nicht hereinkommen?« Sie führte ihn zur Kaminecke, wo ein Feuer brannte. Draußen trübte sich das Licht. Der Wind wehte dürre Blätter über den gelblich verfärbten Rasen. Es war der 7. November, ein Datum, das sie nie vergessen würde.
    »Tja«, sagte er, trat an den Kamin und wärmte sich die Hände am Feuer, während sie steif dastand und Catherine hereinschlich und besorgt die Augenbrauen hochzog, »ich will Ihre Zeit nur ganz kurz in Anspruch nehmen.« Er zog einen Notizblock und einen Bleistift hervor und wandte sich zu ihr. »Mein Name ist Adler, Frederick Adler, und ich arbeite für die Tribune.« Er hielt einen Augenblick inne, um diese Information wirken zu lassen. »Und ich - oder vielmehr wir, die Redakteure und ich, sind neugierig, ob Sie vielleicht etwas zu sagen haben. Eine Stellungnahme.«*
     
    * Hier wirft die Frage, die man eines Tages Olgivanna stellen würde (siehe Seite 127), ihren unheimlichen Schatten voraus.
     
    »Eine Stellungnahme?« wiederholte sie. »Wozu?«
    »Zu Ihrem Mann.«
    Tief in ihr machte sich ein leises Unbehagen bemerkbar. Sie spürte das Pulsieren einer Ader an ihrem Hals. »Meinem Mann? Was ist mit ihm?« Und dann, ganz von allein, hatte sie eine Eingebung und wusste, dass er tot war. Oder verletzt. Schwer verletzt.
    Sie sah die gebrochenen Glieder, das Blut auf der Straße. Ihr Blick suchte die Augen ihrer Tochter. »Er ist doch nicht -«
    Der Gesichtsausdruck des Mannes wurde härter. »Ist er zu Hause?«
    »Nein. Er ist geschäftlich unterwegs. Er

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