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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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vor dem Frühstück am Schreibtisch, überarbeitete die Entwürfe für den Wolkenkratzer der National Life Insurance Company und den Nakoma Country Club, schrieb einen Artikel pro Monat für Architectural Record und fand trotzdem noch die Zeit, die Bauarbeiten auf dem Anwesen zu überwachen, auf die Felder oder in den Garten zu gehen und mit der Mistgabel zu graben, bis ihm neue Ideen kamen und er wieder an seinen Schreibtisch hastete, so dass seine Schüler erschrocken von ihren Zeichentischen aufblickten, bis er ihnen einen Scherz zurief, und noch einen und noch einen. Er war von solchem Elan erfüllt - Ursache und Triebfeder war die liebe Olgivanna -, dass er immer wieder von seinem Stuhl aufspringen musste, um den Jungs zu zeigen, was er gemacht hatte, einen Blick auf ihre Zeichnungen zu werfen und vielleicht hier und da ein bisschen zu dozieren. Das Abendessen und die dabei geführten Gespräche waren eine wahre Wonne, ebenso die Sonntagabende, wenn sie sich alle feinmachten und im Wohnzimmer oder, an milden Abenden, unter den großen Doppeleichen im Hof zusammensaßen und musizierten oder einander aus Whitman, Thoreau oder Emerson vorlasen: Wer ein Mensch sein will, muss Nonkonformist sein.
    Seit Jahren schon - länger, als er denken konnte - wälzte er einen großen Stein den Berg hinauf, einen Felsbrocken, der wie ein Schneeball mit jeder Umdrehung schwerer wurde und in den Miriams Gesicht eingeprägt, nein, eingemeißelt war, so dass es, jedesmal wenn er den Stein ein Stück weitergerollt hatte, wieder vor ihm erschien.
    Miriam. Miriam mit ihren Krämpfen, Kopfschmerzen und Wutanfällen, die mit den Fäusten auf ihn losging, alles in Bewegung, ihre Perlenkette schlug ihr um den Hals, ihr protziger Ring blitzte wie eine Waffe, und sie kreischte und zeigte ihm die Zähne, als wollte sie ihn mit Haut und Haar verschlingen. Der Psychiater - wie hieß er noch gleich,
    Dr. Hixon - hatte eine Affektstörung bei ihr diagnostiziert, was immer das bedeuten mochte, jedenfalls hatte ihm der Mann versichert, dass mit Gewalttätigkeiten zu rechnen sei. Im Moment herrschte Ruhe, aber wo immer sie gerade sein mochte, in Los Angeles, San Diego, Hollywood, er spürte, wie ihre Hitze aus dem Boden aufstieg, weißglühendem Magma gleich, das alles zu entzünden vermochte, und jedesmal wenn das Telefon läutete, wurde ihm flau im Magen. Er hatte nun schon seit Monaten - sechs oder sieben waren es mittlerweile - nichts mehr von ihr gehört. Und jetzt war Olgivanna hier - und Svet und Richard und Dione und Kameki -, und es ging wieder vorwärts in seinem Leben. Manchmal dachte er einen ganzen Tag lang nicht an Miriam, doch sie war immer da, lauerte tief in seinem Innern.
    Und dann eines Abends Ende April läutete das Telefon - einmal nur, eher einkomisches, jäh unterbrochenes Summen als ein richtiges Läuten, was er auf einen Fehler in der Verdrahtung zurückführte, denn er hatte das Telefon im Schlafzimmer mit einem Summer in der Küche verbunden, eine einfache Vorrichtung, um einfache Wünsche zu vermitteln, so ähnlich wie im Hotel.* Sie hatten gerade ihr Abendessen beendet, Olgivanna, Svet und er - die anderen waren in die Stadt gefahren, bis auf Kameki und Mel, den neuen Fahrer** -, und da sich ein Gewitter zusammenbraute und er dachte, dass es ein Erlebnis sein würde, es über die Hügel näher kommen zu sehen, hatten sie in dem separaten kleinen Esszimmer oben am Hang gegessen. Die Köchin war nach Hause gegangen. Olgivanna hatte das Essen selbst aufgetragen, und es war, als wären sie eine ganz normale Familie, Vater, Mutter, Kind, zu einer ganz normalen Mahlzeit um den Tisch versammelt. Während sie aßen, frischte der Wind auf, und Zweige schlugen gegen die Fenster, doch sie fühlten sich sicher und geborgen - sollte der Sturm nur wüten, sie hatten es behaglich. »Siehst du, Svet«, sagte er, eine Gabel voll montenegrinischer Bohnen in der Hand, »das ist einer der Vorteile der organischen Architektur: durch die natürliche Linienführung und die Ausblicke in alle Richtungen ist man drinnen und draußen zugleich. In diesen Lebkuchenhäuschen in Chicago gibt es das nicht. Da würde man nicht mal bemerken, dass ein Gewitter aufzieht.«
     
    * Mag er auch der bedeutendste Architekt der Welt gewesen sein - auf dem Gebiet der Elektrik war Wrieto San nicht sonderlich bewandert. Die Hälfte der elektrischen Leitungen in Taliesin war nur behelfsmäßig verlegt, und wir erlebten immer wieder, wie vor unseren Augen eine Birne

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