Die Frauen
verschwand und dann wieder zurückgeschlendert kam. »Nur sie«, sagte er, an Mr. Jackson gewandt, während er den Schlüssel im Vorhängeschloss drehte und widerwillig das Tor öffnete. »So steht es in den Papieren, nur sie. Sonst niemand.«
Es war ein komisches Gefühl, die Zufahrt hinaufzugehen - alles war so vertraut, das Knirschen des Schotters unter ihren Füßen, die Schatten, die Ecken und Kanten des Hauses, der Hof, der sich vor ihr auftat wie ein Paar freudig ausgebreitete Arme, und doch war es auch wieder anders. Wie lange war es her? Zwei Jahre - über zwei Jahre.
Aber für Frank gab es keinen Stillstand, soviel stand fest. Er hatte einiges getan seit dem Brand, das konnte sie sehen, neue Dächer erhoben sich über dem Wohnbereich, die Hintergebäude waren besser in das Ganze integriert. Und das Haus war schön, das musste sie zugeben. Es war von einer Aura des Friedens umgeben, alles war so still und alterslos, und ein Schauer des Wiedererkennens durchrieselte sie, versetzte sie in ihre Zeit in Europa zurück, als sie zum erstenmal in die überwölbten Tiefen des Pantheons oder des Petersdoms getreten war. Sie war erregt, kein Wunder, aber die schlichte, klare Schönheit des Gebäudes hatte, über jeden Gedanken an Konfrontation oder Verlust hinaus, eine beruhigende Wirkung, und eine Flut von Erinnerungen überwältigte sie.
Mochte das Tor auch mit einem Vorhängeschloss versperrt gewesen sein, an den Türen befanden sich keine Schlösser - Frank hielt nichts von Schlüsseln* -, und so durchquerte sie den Hof und trat durch den Haupteingang ins Haus. Es war, als tauchte sie in ein tiefes Becken, kühl und geheimnisvoll, die Steinsäulen von einem wasserartigen Licht beglänzt, das Holz schimmernd, als wäre es nass, und alles still wie in einem Traum. Er war nicht da. Sie war nicht da. Es war niemand da. All diese Zimmer, diese Leere, und nirgends eine Menschenseele, nicht einmal die Bediensteten. Miriam stand lange zögernd an der Tür, atmete den Geruch des Hauses ein, orientierte sich. Frank war fort, verschwunden, er hatte wieder einmal gekniffen, dieser Feigling, dieser Mistkerl, dieser Kleingeist, doch dann wurde ihr allmählich klar, dass es besser so war, ihr Herz schlug langsamer, ihr Atem beruhigte sich, und sie ging hinein und begann, das Haus Schritt für Schritt zu erkunden.
* Jedenfalls nicht von Hausschlüsseln. Er hatte nie welche dabei, sie waren ihm lästig, und was die Schlüssel seiner diversen Automobile betraf, so konnte er darauf zählen, dass der jeweilige Chauffeur sie von irgendwo herbeizaubern würde, wenn Wrieto-San eine kleine Spritztour machen wollte.
Jede Kleinigkeit, jede Veränderung sprang ihr ins Auge**, es war fast so, als wäre das Skelett des alten Hauses mit dem Fleisch eines neuen versehen worden - und so war es ja wohl auch, denn war nicht alles bis auf die Grundmauern abgebrannt? Sie fuhr mit der Hand über die grob behauenen Säulen, um ihre rauhe Oberfläche zu spüren, setzte sich in die Sessel, nahm den Ausblick durch die Wohnzimmerfenster in sich auf wie eine Einbrecherin, eine Ausblickdiebin. Je länger sie das Haus erkundete - oder spionierte sie herum, musste man es so nennen? -, desto größer wurde ihre Erregung.
Sie sah die neuen Teppiche, die Möbel, die neuen Kunstwerke an Stelle der alten. Er war extravagant gewesen, hatte an nichts gespart und vor Gericht gleichwohl stets Mittellosigkeit geltend gemacht. Aber er war eben ein mieser Intrigant. Ein Lügner und Geizhals. Er nahm von den Reichen, beschenkte sich selbst und scherte sich einen Dreck um andere Menschen, solange er bekam, was er wollte.
** Zum ersten - und, wenn ich das ergänzen darf, letzten - Mal sah sie zum Beispiel das Gartenzimmer und das Zierbecken neben Wrieto-Sans Schlafzimmer, ebenso den neuen Balkon und das Gästezimmer im ersten Stock über dem Wohnzimmer sowie den sechsteiligen Wandschirm von Yasunobu (Kiefer, Vögel, Kirschblüten), den Wrieto-San im Wohnzimmer an der Wand aufgestellt hatte.
Sie streifte durch das Haus wie ein Detektiv in einem Kriminalroman, inspizierte alles, die Konserven im Küchenschrank, den Tisch, der für eine nicht beendete Mahlzeit gedeckt war, das schmutzige Geschirr im Spülbecken, die ungemachten Betten – er hatte sich in aller Eile aus dem Staub gemacht, das konnte sie sehen, aber sie zog nur geringe Befriedigung daraus. Da war die Bettwäsche im Schlafzimmer, Bettwäsche, die nach ihm roch - ja, sie hob sie sich ans
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