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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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deren Wert sie nach sorgfältiger Überlegung mit 5500 Dollar pro Monat veranschlagte. Frank reagierte nur über die Presse darauf. Er wies die Vorwürfe kurzerhand zurück, behauptete, es handele sich hier nur um einen weiteren Versuch seiner Frau, ihn zu verärgern und zu belästigen, und weigerte sich zu verraten, wo Olgivanna sich befand - das gehe weder seine Frau noch deren Anwälte etwas an, erklärte er einem Reporter der Chicago Tribune in einem Ferngespräch aus Taliesin. Natürlich bestätigte das nur, was Miriam schon die ganze Zeit gewusst hatte, nämlich dass er sie dort versteckt hielt. Zwar hatte er seine Beziehungen spielen lassen und erreicht, dass beide Haftbefehle aufgehoben wurden, doch wenn er glaubte, sie werde jetzt aufgeben, erlag er ebenso einer Illusion wie jene Dummköpfe, die geglaubt hatten, der Große Krieg werde nicht länger als ein halbes Jahr dauern. Oh, seine kleine Tänzerin war ganz bestimmt bei ihm, daran hatte Miriam keinen Zweifel. Sie konnte sie geradezu vor sich sehen, wie sie irgendwo in diesem Labyrinth von muffigen Zimmern und stinkenden Nebengebäuden kauerte, das Tageslicht scheuend, sich in Gesellschaft von Bediensteten und Mäusen praktisch nur in Küche und Vorratskammer aufhielt, und bei jedem Geräusch erschrak, denn schließlich waren jetzt nicht nur die Reporter, sondern auch noch der Zustellungsbeamte hinter ihr her.
    Was nichts daran änderte, dass die Vorladung nicht zugestellt worden war und man schlecht ein Gespenst verklagen konnte. Darüber brütete Miriam endlos, während der August in den September überging und ihre Mittel zusammenschrumpften, da Frank entgegen seiner Verpflichtung die Hotelrechnung nicht bezahlte und die Herren Fake und Jackson ihr Rechnungen über geleistete Dienste zusandten, und es kam ihr vor, als rückten die Wände immer näher und als säße nicht Olgivanna, sondern sie in der Falle. Zwei Tage lang regnete es ununterbrochen, und sie tat nichts anderes, als am Fenster zu sitzen und die Muster zu betrachten, die das Wasser auf die Straße malte.
    Die schwarzen Autos zogen vorbei wie Leichenwagen. Passanten duckten sich unter ihre Regenschirme - aber wenigstens gingen sie irgendwohin, taten irgend etwas, was auch immer, und sei es ihnen noch so verhasst. Stagnation war nichts für Miriam. Sie brauchte Bewegung, Aktivität, Aufregung, wie doch eigentlich jeder, von den Toten oder Beinahetoten einmal abgesehen. Sie rief Mr. Fake an. Mehrmals. Er hatte keine Neuigkeiten für sie. Die nächsten Male nahm Mr. Jackson ab. Auch er hatte keine Neuigkeiten für sie. Und dann waren sie beide - die Sekretärin bedauerte außerordentlich - außer Haus.
    Als sie gerade die Hoffnung zu verlieren begann, immer häufiger mit verweintem Gesicht zum Abendessen hinunterging, nachdem sie, wie ihr schien, Stunde um Stunde in ihre gewölbten Hände geschluchzt hatte, als die Pravaz stumpf wurde und sie dachte, es werde nie mehr aufhören zu regnen, da rief Mr. Jackson an, um ihr mitzuteilen, dass Taliesin ihr gehöre. Er habe einen Gerichtsbeschluss erwirkt, der ihr freien Zugang gewährte: Diese Arbeiter hätten kein Recht, aber auch gar keins, sie von ihrem eigenen Grund und Boden fernzuhalten, und das Gericht habe sich voll und ganz auf ihre Seite gestellt. Wenn sie wolle, werde er sie selbst nach Wisconsin fahren. Sie konnte das Anwesen also in Besitz nehmen, Sachen ins Haus stellen, mit den Kunstwerken, Möbeln und Tieren tun, was sie wollte. Sie konnte die Bäume fällen, den See trockenlegen, das Getreide verkaufen, das gesamte Personal entlassen und das Haus in Staub und Spinnweben versinken lassen, bis es aussah wie die Katakomben unter einer dieser alten Kirchen in Italien. Wenn sie Lust hatte, konnte sie die Fenster vernageln, ein Dutzend viktorianische Zweiersofas bestellen und Zierdeckchen an die berühmten ausladenden Dachvorsprünge hängen. Und Frank konnte sie nicht daran hindern.
    Als sie diesmal aus dem Auto stieg, war nur Billy Weston am Tor. Sie stand in der höllisch heißen Sonne und starrte ihn bitterböse an, erduldete den Matsch und die Insekten und den Ansturm ländlicher Gerüche, während Mr. Jackson die Papiere aushändigte und die beiden sich berieten. Selbst jetzt hielt Billy sie noch hin. Er müsse erst zum Haus gehen und mit Mr. Wrights Anwalt telefonieren, sagte er, und dann ließ er sie doch tatsächlich vor dem verschlossenen Tor warten, während er den Hügel hinaufschlenderte, für gut zehn Minuten im Haus

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