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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Gesicht - und nach etwas anderem, Unsichtbarem, nach ihr, Olgivanna, der Frau, die das Bett ihres Mannes usurpiert hatte. Sie saß lange dort auf der Bettkante und war mit den Gedanken so weit weg, dass sie Mr. Jackson, der unten am Tor auf sie wartete, und Billy Weston, den sie bei erster Gelegenheit rauswerfen würde, und auch all die anderen Kriecher und Undankbaren völlig vergaß, und womöglich wäre sie bis zum Einbruch der Dunkelheit dort sitzen geblieben, hätten nicht diese beiden äußerst mitfühlenden Herren von der Bank of Wisconsin in Madison schüchtern an die Tür geklopft, um ihr mitzuteilen, dass ihr Mann mit seiner Hypothek, die der Kredit für den Wiederaufbau bedauerlicherweise in die Höhe getrieben habe, im Rückstand sei, und dass sie deshalb im Begriff seien, die Zwangsvollstreckung durchzuführen.
    Es sei denn natürlich, sie als Mitbesitzerin könne die geschuldete Summe aufbringen. Wieviel das denn sei.
    Fünfundzwanzigtausend für die Hypothek, plus 1500 Dollar für eine zusätzlich aufgenommene Mobiliarhypothek sowie Pfandrechte für unbezahlte Rechnungen in einer Höhe von 1 7000 Dollar, insgesamt also 43 500 Dollar.
    Sie bat sie herein, entschuldigte sich, dass sie ihnen unter den gegebenen Umständen nichts anbieten könne, und dann saß sie in Franks feudalem Wohnzimmer mit seinen schimmernden Kostbarkeiten und grandiosen Ausblicken, starrte die beiden benommen an, dachte erst an ihre Pravaz und dann an Frank - er hatte sie wieder einmal ausgetrickst, jedenfalls glaubte er das. Wo immer er gerade sein mochte. Bestimmt irgendwo im Ausland. In einem billigen Hotel, wo niemand Fragen stellte. Vielleicht trug er einen falschen Bart - das wäre komisch, Frank mit einem falschen Bart, wie ein Variete-Clown. Er dachte wohl, er hätte sie ausgetrickst. Drehte ihr eine lange Nase. Aber er hatte Taliesin verloren, und Taliesin war sein Leben. Und aller Voraussicht nach würde er bald noch viel mehr verlieren. Was er nämlich nicht wusste, war, dass Mr. Jackson auch den Ehemann der kleinen Russin - Hinzenberg - vertrat, und dass dieser Ehemann Anklage wegen Ehebruchs gegen ihn erhoben hatte. Ja mehr noch: Er hatte Frank wegen Entfremdung ehelicher und töchterlicher Zuneigung auf 250 000 Dollar verklagt, einen Gerichtsbeschluss beantragt, dem zufolge das Kind an ihn herauszugeben sei, und eine Belohnung in Höhe von 500 Dollar für die Ergreifung der Flüchtigen ausgesetzt. Während sie hier diesen beiden Bankleuten gegenübersaß, die sich schon die Lippen leckten, und den Blick auf einer von Franks kostbaren chinesischen Buddhastatuen ruhen ließ, brachte der Sheriff von Sauk County, Wisconsin, Fotos von ihm in Umlauf. Und von ihr. Und von dem Kind.
    Jawohl. Und wer drehte nun wem eine lange Nase?

 
Kapitel 7
    KEINE TÄNZERIN
     
    Olgivanna hatte nicht mit dem Reporter gesprochen, hatte ihn überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, wie er da höchst lebendig, die Hände in ständiger Bewegung, vor ihr stand und seine Gesichtszüge bei jeder Bitte, jeder Provokation neu arrangierte. Sie verschloss die Ohren vor ihm, stand rasch von ihrem Stuhl auf, nahm Svetlana bei der Hand und marschierte stracks ins Haus, wo sie die Tür fest hinter sich ins Schloss zog und Mrs. Taggertz anwies, Frank Bescheid zu geben, damit Billy Weston und die anderen den Mann mit dem notwendigen Maß an physischer Nachhilfe vom Grundstück geleiten konnten. Doch der Zwischenfall blieb nicht ohne Folgen. Sie traute sich wochenlang nicht mehr, das Haus zu verlassen, sich auch nur in den Hof zu setzen, obwohl Frank sie zu beruhigen versuchte - er habe die Männer angewiesen, wachsam zu sein, und werde jeden, der unbefugt das Anwesen betrete, strafrechtlich verfolgen lassen, das schwöre er ihr, »ob das nun Zeitungsleute oder Zigeuner oder Bibelverkäufer sind« -, und mit jedem Tag wurde sie blasser und schwächer. Um an die frische Luft zu kommen und Abstand von den kleinen Irritationen des Alltags zu gewinnen, den Koliken des Säuglings, Svetlanas Launen, Franks allumfassender Gegenwart, begann sie, nachts in der tiefsten Dunkelheit über die Felder zu streifen, und wenn die Moskitos kamen, um ihr Blut zu saugen, empfand sie das geradezu als Erleichterung.
    Während der Frühling sich dem Sommer entgegenneigte, kam sie ganz allmählich wieder zu Kräften. Zuerst spürte sie es in den Beinen. Durch ihre nächtlichen Streifzüge wurden ihre Waden, zunächst kaum wahrnehmbar, fester und die Muskeln der Oberschenkel und

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