Die Frauen
bei meiner Frau und mir und kümmert sich mit der größten Begeisterung um Buddy und Katrina.«
Frank hatte wohl die Männerstimme in der Küche gehört, denn er kam mit neutralem Gesichtsausdruck - nicht beunruhigt, noch nicht - aus seinem Arbeitszimmer und sagte: »Na, wen haben wir denn da? Mrs. Simpsons Sohn, habe ich das recht verstanden?«
Der Mann erschrak sichtlich, fasste sich aber rasch wieder, trat vor, um Franks Hand zu ergreifen, und sagte mit schrill ansteigender Stimme: »Ja, Sir. Jim Simpson, zu Ihren Diensten.« Dann erklärte er, warum er da war. »Es würde Ihnen doch nichts ausmachen, wenn ich mal kurz die Treppe hochspringe - es dauert nicht lange. Ich wollte natürlich nicht ... na ja, ich nehme an, ich habe Sie bereits ...«
Frank widersprach nicht. Einen Moment lang stand er nur da, blickte zu dem Mann auf und versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. »Gehen Sie oft angeln, Mr. Simpson?« fragte er schließlich.
»Ja, schon, aber nicht so oft, wie ich gern würde. Sie wissen ja, wie es ist, man kommt zu nichts.«
»Und was wollen Sie angeln? Zander?«
»Ja, hauptsächlich.«
»Und Barsch vermutlich?«
»Ja.«
»Gibt es in diesem See eigentlich Weißfisch? Den mag ich nämlich am liebsten« - jetzt wandte er sich ihr zu -, »stimmt’s, Anna? Der leckerste Fisch weit und breit.«
»Tja, wissen Sie, Mr. - Richardson, nicht wahr? -, da bin ich mir nicht sicher. Ich weiß nicht, ob ich je ... Aber ich stehle Ihnen schon viel zu lange die Zeit.«
»Na denn«, sagte Frank. »Holen Sie Ihre Angel. Ich verabschiede mich dann auch gleich.« Sie schüttelten sich erneut die Hand, wie um ein Geschäft zu besiegeln. »Ich bin gerade beschäftigt«, fügte Frank erklärend hinzu. Er zwinkerte. Grinste. »Habe zu arbeiten, wissen Sie. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen.«
»Darf ich fragen, was Sie machen?«
»Philatelie.«
»Briefmarken?«
Frank nickte. »Genau.«
»Das klingt ... interessant. Kann man davon denn leben?« »Sie würden sich wundern.« Der Mann schaute sich rasch im Zimmer um, ließ ein kurzes Lächeln aufblitzen. »Ja also, wie gesagt, ich will Sie nicht aufhalten ... «
Ein gemurmeltes Dankeschön, dann das Poltern der Schritte auf der Treppe, das Knallen einer zuschlagenden Tür, das Quietschen von Scharnieren - eine dieser Falltüren mit ausziehbarer Leiter, vermutete sie -, schließlich von oben sporadisches Rumpeln und Klappern. Frank ging wortlos in sein Arbeitszimmer zurück. Sie horchte kurz, ob sich das Baby rührte, schaute durchs Fenster nach Svetlana, die jetzt auf dem Steg saß und das Kanu mit den Füßen hin und her schaukelte, dann goss sie sich eine Tasse Tee ein, setzte sich mit ihrem Buch an den Tisch und vergaß Jimmy Simpson völlig, bis die Scharniere wieder quietschten, die Tür zuknallte und die Schritte die Treppe her- untergedonnert kamen. Im nächsten Moment war er in der Küche, sein Gesicht schwebte hoch oben durch den Raum, so als trüge er es auf einer Servierplatte vorbei, und mit einem lauten »Danke, Mrs. Richardson« und »Bis bald, Viola« war er draußen.
Die Schritte entfernten sich über die Veranda und verklangen in der Stille. »NetterKerl«, sagte Olgivanna, einfach um irgend etwas zu sagen, aber eigentlich entsprach das nicht ihrem Gefühl. Ganz im Gegenteil. Irgendwas gefiel ihr nicht an diesem Mann - und das mit der Angel und seinem Klienten, das waren doch faule Fische*. Wenn sie sich nicht täuschte - sicher war sie sich allerdings nicht, er war so schnell vorbeigegangen -, hatte er nicht einmal eine Angel in der Hand gehabt.
* Wieder so ein eigentümlicher idiomatischer Ausdruck. Und, was seine wörtliche Auslegung angeht, sehr relativ. Wir Japaner haben als Inselbewohner natürlich großen Respekt vor der Nützlichkeit der Meerestiere, und es würde uns im Traum nicht einfallen, einen Fisch für Sashimi, Sushi oder auch nur für die Brühe von Ramen zu verwenden, ohne entweder selbst gesehen zu haben, wie er gefangen wurde, oder aber lange und gründlich an ihm gerochen zu haben. Und obwohl dies natürlich nicht der Ort für Rügen ist, muss ich doch sagen, dass man das, was in Amerika als »frischer Fisch« gehandelt wird, in Japan nicht mal den Katzen geben würde - und unsere Katzen ernähren sich nicht sonderlich gut.
»O ja«, sagte Viola. »Das Salz der Erde.«
An diesem Abend war es kühl. Es war die dritte Oktoberwoche, die Bäume warfen das Laub ab, und am Himmel schrien die Gänse wie verlorene
Weitere Kostenlose Bücher