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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Lächeln, obwohl es mit meiner Stimmung, ehrlich gesagt, bergab ging. »Um möglichst schnell hierherzugelangen und als Mitglied der Fellowship unter Ihrer Anleitung und Beratung zu arbeiten.«
    Er schien das einen Moment lang zu bedenken. »Na schön«, sagte er schließlich. »Gut.
    Aber erwarten Sie keine Unterweisung von mir. Ich bin kein Pädagoge, beileibe nicht. Merken Sie sich das.« Die Glocke läutete erneut. Mehrere kleine Vögel - Schwalben? Mauersegler? - schossen unter dem Dachvorsprung hervor und flitzten durch den Hof.
    Wrieto-San wandte sich zum Gehen, doch dann fiel ihm noch etwas ein. Er bedachte mich mit einem langen Blick. »Sie können doch kochen«, fragte er, »oder?«
    Nein, ich konnte nicht kochen. Das heißt, ich konnte so kochen, wie alle Junggesellen in allen Gesellschaften es können: minimal. Ein gekochtes Ei. Ein zweimal in der Pfanne gewendetes Beefsteak. Bratwurst mit Brötchen. Doch das spielte alles keine Rolle, denn mein Einsatz in der Küche sollte nichts anderes beinhalten als Kohl zu schneiden, Mais zu entblättern und die Kartoffeln zu schälen, die die anderen Schüler aus der mit Mist angereicherten Erde gegraben hatten. Das Kochen übernahmen zwei Frauen aus dem Ort, die Schwestern eines der Arbeiter, die Wrieto-San zur Renovierung der Hillside Home School angestellt hatte (vormals ein von Wrieto-Sans unverheirateten Tanten geleitetes fortschrittliches Internat), die am südwestlichen Rand des Anwesens lag und einen Teil der Fellowship beherbergen sollte, und diese beiden Köchinnen hatten ihre ganz eigene Meinung über den Meister, eine weit weniger ehrfürchtige Meinung als ich. Wie dem auch sei, als ich an jenem ersten Abend dastand und zusah, wie Wrieto San sich mit gestrafften Schultern entfernte, sein Stock, während er flotten Schrittes davonging, in ständiger Bewegung - nach rechts und links hüpfend, durch die Luft wirbelnd wie ein Zauberstab -, hatte ich keine Zeit, mir Gedanken über meinen Status zu machen. Im nächsten Moment nämlich erschien wie aus dem Nichts ein junger Mann von geradezu absurder Größe und mächtiger Gestalt, schwang sich akrobatisch über das Mäuerchen und kam mit ausgestreckter Rechter auf mich zu. Er trug eine Latzhose, Arbeitsstiefel und ein sehr legeres Flanellhemd mit hochgekrempelten Ärmeln. »Hallo«, sagte er. »Sie müssen der Neue sein.«
    Ich versuchte mich zu verbeugen, doch die Hand schoss auf meine zu, um den unvermeidlichen Handschlag zu vollziehen, dieses halb freundliche, halb aggressive und absolut unhygienische Begrüßungsritual, mittels dessen die Männer dieses Landes einander prüfen und beurteilen. Seine Hand umschloss meine - eine rauhe Hand, schwielig und von der Arbeit gehärtet -, und ich versuchte, ebenso fest zuzudrücken wie er, meine Botschaft über das Fleisch zu senden, so wie er die seine sandte. Seine Botschaft war, dass er keine Vorurteile hatte, obwohl er über zwanzig Zentimeter größer war als ich, gut fünfunddreißig Kilo schwerer und an einem Ort aufgewachsen, wo man einen Japaner ungefähr so häufig zu sehen bekam wie einen Eskimo oder einen Bantu, und meine Botschaft war, dass ich mich mit jedermann messen konnte und zu allem bereit war, was der Meister von mir verlangen mochte - inklusive Küchendienst.
    »Wes Peters«, sagte er und drückte noch ein letztes Mal mit aller Macht zu (was ich mit auch nicht unerheblichem Druck erwiderte), ehe er meine Hand zur Beendigung der Zeremonie losließ. »Und Sie sind Sato, stimmt’s?«
    Ich verbeugte mich zustimmend, doch diesmal nur leicht, eine Verbeugung für Gleichgestellte. »Nennen Sie mich Tadashi«, sagte ich.
    »Gut«, sagte er. »Tadashi. Sehr erfreut. Und herzlich willkommen.«
    »Sie sind einer der Schüler, nehme ich an?«
    »Ja.« Jetzt grinste er. »Wir werden täglich mehr. Mr. Wright zufolge werden wir insgesamt dreißig sein. Eine ganze Truppe. Inklusive Frauen. Fünf. Aus Vassar.«
    Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte - waren dreißig viel? Oder wenig? Wieviel Arbeit mochte es geben? Ich hatte mich Seite an Seite mit Wrieto-San an bedeutenden Entwürfen arbeiten sehen, an Grundrissen großartiger Gebäude wie des Unity Temple, des Fukuhara House oder des Larkin Administration Building, mein Zeichenstift unter der Regie des seinen. Und dann Frauen. Mit Frauen hatte ich nicht gerechnet, nicht in einem Architekturunternehmen. Verwirrt antwortete ich: »Gut. Das klingt gut.« Oder vielleicht sagte ich auch »Famos«.
    Ich

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